Ein 365 Tage großer Schritt

Ich fühle mich nicht danach, innezuhalten und zurück zu blicken. Jahreswechsel haben bei mir schon länger nur noch die Bedeutung eines weiteren Ereignisses, das mir klar macht, wie schnell alles geht. Ich feiere gerne mit Freunden, bin aber gar nicht erfreut über verbrannte Post wegen Böllern in Briefkästen, den Müll auf der Straße und die irre Umweltverschmutzung. Außerdem ändert sich sowieso nichts. Wer Vorsätze fasst, verwirft sie oft schon bald wieder, und für die meisten anderen ist der 1. Januar sowieso bloß ein Feiertag wie jeder andere.

Meinetwegen könnte das Jahr immer zur Wintersonnenwende enden. Das hätte eine gewisse Dramatik - die erste Jahreshälfte geht es stets bergauf, die Tage werden länger und heller, und dann geht es wieder abwärts, es wird düster und kalt und am Ende sind wir alle froh wenn es vorbei ist und wir die maximale Dunkelheit überstanden haben. Naja, vielleicht doch etwas überzogen.

Mir ist das jedenfalls gerade alles zu krass. Die Rechnungen aus dem Vorjahr sind noch gar nicht alle bezahlt, da kommen schon wieder neue herein. Meine Finanztabelle spiegelt in gewisser Weise auch wieder, was sich alles geändert hat: Die Posten Miete und Lebensmittel sind nahezu exakt gleich geblieben, alles andere ist wild gemischt. Und selbst das ist schon trügerisch, denn mein Probenraum-Mitmieter ist weg gezogen. Idealerweise kann der frei gewordene Platz aber schon bald von meiner sich gründenden Band genutzt werden.

In allen Bereichen ist gerade so viel los, dass ich kaum noch weiß, wo ich anfangen soll. Es ist wieder Zeit, Prioritätenlisten zu erstellen, Aufgaben wochenweise auf die Tage zu verteilen, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, während man überlegt, was man eigentlich machen muss. Zeit ist das wertvollste Gut, dass wir haben - das hört man gelegentlich von Leuten, die zuviel Geld haben, aber es stimmt genauso, wenn man kein Geld hat.

Nach Zeit verlangen bei mir Vorträge, Protokolle, Klausurvorbereitungen, vier verschiedene Nebenjobs, zwei ehrenamtliche Tätigkeiten, meine Band, meine angefangenen Songtexte, das Schlagzeug, der Sport, dieses Blog, und: meine wunderbaren Freunde. Während sich einige dieser Aspekte gelegentlich unangenehm zu Wort melden und daran erinnern, dass ich ihnen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe (Prüfungsamt, Chef) und andere es mich spüren lassen, wenn ich wieder daran denke (Muskelkater), sind andere geduldig oder gammeln vor sich hin. Das Prinzip "wer am lautesten schreit, ist am Wichtigsten" gilt hier aber nicht.

Meine Prioritätenliste enthält Dinge, bei denen mir eine Frist gesetzt ist, und Dinge, bei denen mir sicherlich bald eine Frist gesetzt wird, wenn ich mich nicht vorher darum kümmere. Was nicht draufsteht: Freunden in Problemsituationen beistehen. Neue Menschen kennen lernen und gute Gespräche haben. Gemeinsam kochen und chillen. Nachts zum Probenraum fahren und Schlagzeug spielen oder um 22 Uhr noch klettern gehen. So wie die Zeit wertvoller ist als Geld, sind diese Dinge wichtiger als bestandene Klausuren oder Erfolg im Job.

Für gute menschliche Kontakte und persönliche Entspannung sollte man sich immer Zeit nehmen. Wenn ich rückblickend auf das Jahr 2015 eines festlegen müsste, wäre es diese Aussage. Eine weitere Liste untermauert das: Meine persönliche Liste der Momente, die mich glücklich gemacht haben. An den allermeisten sind Menschen wesentlich beteiligt, die mir wichtig sind, seien es jene, die ich hier in Sachsen kennenlernte, oder jene, die schon lange mein Leben begleiten. Würden sie fehlen, wäre das durch nichts auszugleichen. Und auch wenn der Druck der anderen nach Aufmerksamkeit schreienden Dinge mich gelegentlich davon abhält, zu schreiben oder die Gitarre in die Hand zu nehmen, werde ich nie denen, die mir wichtig sind, den Rücken kehren, weil meine To Do-Liste überläuft. Das hat sich in der Vergangenheit ausgezahlt, und so wird es auch bleiben, was auch immer dieses Jahr mit sich bringen wird.



Neues SSL-Zertifikat

Seit eben benutzt Konzertheld.de, ebenso wie mein Portfolio christian-gredig.de und unsere Projektwebsite tensing-rheinruhr.de, ein Zertifikat von Let's encrypt. Die sind die ersten, die kostenlos valide, von jedem Browser akzeptierte Zertifikate für jede Domain verteilen. Damit sollte es hier nie wieder Meldungen über abgelaufene oder nicht für sicher gehaltenene Zertifikate geben - der Besuch dieser Websites läuft jetzt immer über eine mit einem gültigen Zertifikat gesicherte Verbindung.

Gleichzeitig habe ich das Problem mit dem "www" gelöst (hätte ja mal jemand sagen können, dass www.konzertheld.de seit ewigen Zeiten nicht mehr auf die richtige Datenbank zeigt). Außerdem verwendet mein Server jetzt HSTS.

Für den gemeinen Leser ist das alles herzlich wurscht, denn sicherheitsrelevante Informationen werden hier wohl kaum geteilt. Aber auch die sind nun immerhin verschlüsselt und jetzt kann keiner mehr mitlesen, ob ihr sicherheitsrelevante Dinge lest, geschweige denn welche. ;)



Unsere Vision für TEN SING

In …



Musik-Neuentdeckungen 11/2015

Wie jeden Monat stelle ich hier die Lieder vor, die ich neu entdeckt habe - weil ich sie zu schätzen gelernt habe, weil sie nach langer Zeit wieder aufgetaucht sind oder weil sie einfach neu sind. Radio, Konzerte, Festivals und Empfehlungen von Freunden und Bloggern bringen immer wieder frischen Wind in meine Sammlung und die hier ausgewählten Titel, oft auch andere Titel der Band, möchte ich als Empfehlung an euch weitergeben. Aufgrund der schwierigen Lage in Deutschland gibt es meistens keine Links, aber über Google, Spotify & Co findet sich alles.

CHVRCHES - Bury it
Der Name CHVRCHES ist mir in verschiedenen Kontexten immer wieder mal begegnet, aber wie so viele Bands, die immer wieder mal angepriesen werden, habe ich sie nie angehört. Vor ein paar Tagen hatte ich dann mal Zeit dafür, als last.fm sie im Kontext anderer elektronischer Musik vorschlug und ich war sofort angefixt. Treibende Beats, kristallklare Synthi-Sounds, ein Bass, den meine Box kaum wiedergeben kann, und markanter Gesang, total mein Ding. Bury it hat die Band darüber hinaus mal mit Hayley Williams aufgeführt, absolut großartig (findet sich bei Youtube). Leider habe ich die Tour gerade verpasst, aber da die Band sich in mehreren europäischen Ländern aufhält, besteht Hoffnung auf eine baldige Rückkehr, dann bin ich definitiv dabei.


40/80 Wochen

20 Wochen sind eine lange Zeit und doch so schnell vorbei. In einem Projekt verfolge ich online, was aus meinen langfristigen Zielen so wird. Die ganze Geschichte kann man nachlesen. Einträge, bei denen sich nichts geändert hat, sind etwas unauffälliger dargestellt, wer die Reihe erst jetzt gefunden hat, kann das einfach ignorieren.

Sport & Ernährung

250km Fahrrad in einer Woche fahren
Chemnitz - Berlin ist nicht mehr nur eine Option, sondern ein konkretes Vorhaben. Allerdings hat es dieses Jahr nicht mehr geklappt, da in den Ferien niemand in Chemnitz war, der mit gewollt hätte.
10 verschiedene (ernstzunehmende) Teesorten nennen und zubereiten können
(0/10)
2 Wochen vegan leben
Ich bewege mich immer mehr Richtung Veganismus, gut möglich, dass das irgendwann einfach zufällig passiert.
10 Gerichte aus 10 verschiedenen Ländern kochen
  1. Pizza nach italienischer Art (die tatsächlich anders ist als die deutsche)
  2. Tofu nach vietnamesischem Rezept
  3. Persische Eierkuchen mit Lauch und Walnüssen
  4. Falafel nach syrisch-israelischem Rezept
Ein Chinatown in Deutschland finden und leerkaufen
Pilze im Wald pflücken gehen
Achterbahn fahren
Wird wegen Rückenproblemen wohl schwierig. Aber da findet sich was anderes.
Ein Fahrrad bauen
:check: Geschafft!
Bronze in vier Disziplinen des deutschen Sportabzeichens erreichen
 

Reisen

Einen One-Way-Flug buchen
Mit dem Rad oder zu Fuß an der britischen Südostküste entlang
Alle Nachbarländer von Deutschland bereisen
(3/9) Im Februar geht's eventuell nach Bern, das wäre Nummer 4.
Nach Malaysia reisen
Am Rothaarigentag in Breda teilnehmen
Alle TEN SING-Gruppen in Sachsen besuchen
(2/14)

Medien online

1 Monat lang Tagebuch über meinen Medienkonsum führen
An einem Bloggertreffen teilnehmen
Im Dezember steht eins an. hahahah
Alle 20 Wochen ein Update dieser Liste posten
(2/4)
Die Hälfte meiner (neuen) Blogposts mit Bildern versehen
Abgesehen davon, dass der zusätzliche Aufwand meinen Arbeitsfluss behindert, eignet sich mein Layout auch gar nicht so gut dafür. Ich überlege, diese Aufgabe zu streichen.
Den DSL-Anbieter wechseln
Gescheitert. Man bot mir drei Gratismonate und ich ließ mich überzeugen. Hoffen wir das Beste.

Medien offline

Ein TEN SING-Video schneiden
Einen Film selber entwickeln
Einen "Lost Place" besuchen
5 Songs am Synthesizer spielen können
(0/5)
Ein Werk bei Soundcloud veröffentlichen
Weiterhin jedes Jahr auf ein Konzert im Ausland gehen
Leider ebenfalls gescheitert. Dieses Jahr war einfach nix bzw. ich hatte kein Geld für eine spontane Reise.
Die Probenraum-Akustik verbessern
Hmm, Molton-Vorhänge sind schonmal nicht schlecht.

Haushalt

Nähen lernen und
Moltontücher zu Bettwäsche vernähen
Dachboden aufräumen
:check: Erledigt!
Bücher einlagern
Den Schreibtisch-Anbau vernünftig zusammenbauen
:check: Auch gemacht!
Die Küche fertigstellen

Bildung

5 Bücher-Bildungslücken schließen
(0/5)
100 Leistungspunkte im Studium erreichen
(58/100)
Grundkenntnisse in einer vierten Sprache erwerben
Angepeilt ist mindestens B1, ich lasse aber mal offen, ob das über einen Sprachkurs passiert oder durch einen Auslandsaufenthalt.
An einer Gerichtsverhandlung teilnehmen
An einer Parteisitzung teilnehmen
Erste Hilfe für Autofahrer auffrischen

Und wie das so ist, ist natürlich eine Menge passiert, was nicht geplant oder vorhersehbar war und nicht für alles lohnt sich ein eigener Blogeintrag.

  • Ich war mal wieder in Brighton und auch in London, diesmal mit meiner Schwester, was sehr schön war.
  • Ein Festival, auf dem ich war, wurde aufgrund eines Unwetters abgebrochen.
  • Ich habe (containerten) Kaviar und veganen Kaviarersatz gegessen. Beides unspektakulär.
  • In Chemnitz war Slackfest und ich beschloss, das Slacklining zukünftig weiter zu verfolgen.
  • Auch Bouldern ist ein toller Sport, den ich hier entdeckt habe.
  • Ich sang auf einer Bühne in einer Karaoke-Bar.
  • Supershirt gingen auf Abschiedstournee und ich war zweimal dabei.
  • Außerdem spielten Little Boots (gut, aber nicht den hohen Erwartungen gerecht werdend) und Metric (Erwartungen sogar übertroffen).
  • Und schließlich trat ich mit TEN SING Chemnitz endlich mal wieder als Headliner unserer eigenen Show auf. Sehr cool!


Genieß das gute Leben

Dachbodenfotos - 0010.jpgKürzlich …



Musik-Neuentdeckungen 10/2015

Wie jeden Monat stelle ich hier die Lieder vor, die ich neu entdeckt habe - weil ich sie zu schätzen gelernt habe, weil sie nach langer Zeit wieder aufgetaucht sind oder weil sie einfach neu sind. Radio, Konzerte, Festivals und Empfehlungen von Freunden und Bloggern bringen immer wieder frischen Wind in meine Sammlung und die hier ausgewählten Titel, oft auch andere Titel der Band, möchte ich als Empfehlung an euch weitergeben. Aufgrund der schwierigen Lage in Deutschland gibt es meistens keine Links, aber über Google, Spotify & Co findet sich alles.

alt-J - Left Hand Free
Nur wenige Künstler, die von einschlägigen Musikmagazinen als der neueste heiße Scheiß angepriesen werden, sprechen mich überhaupt an. alt-J schafft es, anspruchsvolle Musik, seltsame Texte und ausgefallene Instrumentierungen so zu verwenden, dass es sich von allem abhebt, aber nicht nervt. Left Hand Free ist nicht unbedingt repräsentativ und eher als Einstiegsdroge zu betrachten - also unbedingt noch einen weiteren Track vom Album hören!
The Jungle Giants - Come And Be Alone With Me
The Jungle Giants gefallen mir prinzipiell von der Musik her sehr gut. Die Songs haben einen gewissen Groove und auch einiges von dieser Leichtigkeit der Indie-Szene. Wenn man schon über 3000 Musiktitel besitzt, wird man allerdings irgendwann wählerisch, und so hatte ich sie schon fast wieder weg geklickt. Dann erinnerte ich mich, dass ich ja endlich mehr auf Texte achten wollte - das habe ich bei nicht deutschsprachiger Musik bisher sehr vernachlässigt. Und wenngleich Come And Be Alone With Me nur wenige Zeilen mehrfach wiederholt, ist es doch ein schöner Text, und so lohnt sich möglicherweise das ganze Album. Auf jeden Fall hörenswert und auch von der Musik anspruchsvoller ist aber der Nachfolger Speakerzoid.
WhoMadeWho - The Loop
Einer der Gründe, warum ich ausgerechnet in Brighton an der britischen Küste so gerne Urlaub mache, sind die vielen kleinen Kunst- und Künstlergeschäfte dort. Letztes Mal habe ich in einem kleinen Plattenladen ein paar CDs für jeweils 50 Pence abgestaubt (das ist weniger als ein Euro). Eine davon war WhoMadeWho von WhoMadeWho... die wurden schon diverse Male auf diversen Elektronikfestivals angepriesen, aber ich sah sie nie. Klingt ein bisschen, als würden die Kalkbrenners Depeche Mode covern und hätten dafür aus irgendwelchen Gründen auch noch einen Gitarristen eingeladen. Also: Genau mein Ding.
Two Door Cinema Club - Undercover Martyn
Bei M. in Berlin war ich nun schon öfter, da er mich dankenswerterweise nach Konzerten bei sich aufnimmt und obendrein gelegentlich mit neuer Musik versorgt. Two Door Cinema Club hat man irgendwie schonmal gehört, aber so recht in mein Bewusstsein geschafft hat es diese Indie-Nummer noch nicht. Vielleicht ein Fehler.


Gedanken zur Flüchtlingsthematik

Was heißt Angst um sein Leben haben? Eine der Fragen, die ich mir zurzeit am häufigsten stelle, und auch eine derjenigen, die mich am meisten bewegen, lautet: Wie schlimm muss es dort sein, wo viele Flüchtlinge herkommen, dass sie mit wenig Informationen und keiner Habe aufbrechen in ein Land, das sie nicht kennen, auf einem Weg, auf dem die Überlebenschance möglicherweise kleiner als 50% ist?

Einer der prägendsten Momente in diesem Jahr war für mich meine erste Fahrt von Jerusalem nach Palästina (genauer Ramallah) am dritten Tag meiner zweiwöchigen Israelreise. Es gab dort einen richtigen Grenzübergang - so einen, wie ihn hierzulande viele nicht kennen. Eine Mauer wie zu DDR-Zeiten trennt Palästina von Israel, am Grenzübergang gibt es Stacheldraht, Soldaten mit Maschinengewehren und strenge Kontrollen. Ich wusste, dass mir als Tourist nichts passieren wird, trotzdem war es ein schlimmes Gefühl, mit den Palästinensern in der Schlange vor dem Drehkreuz zu stehen und mich dann hastig dort durch zu quetschen.

Für mich als Deutschen war es vermutlich schon mutig und aus Sicht nicht weniger Menschen sogar lebensmüde, nach Israel zu fliegen. Dabei war die Lage zu der Zeit sehr friedlich - es fühlte sich eigentlich eher wie das sicherste Land der Welt an als wie ein Land im Krieg, nicht zuletzt durch die entspannte Mentalität der Israelis. Von aufheulendem Fliegeralarm lässt man sich dort nicht so leicht abschrecken. Ich habe mich schon nicht nach Hebron getraut, den wohl umkämpftesten konfliktreichsten Ort in Palästina. Andere Backpacker berichteten mir, man würde als Europäer dort hinfahren, weinen, weil es so schlimm ist, und zusehen dass man wieder weg kommt.

Einer meiner neuen Kommilitonen kommt aus Hebron. Er studiert mit mir Biomedizintechnik an der TU Chemnitz. Er lebt seit zwei Jahren in Deutschland, spricht beeindruckend gut unsere Sprache und abgesehen von eben der unterscheidet ihn nichts von den anderen. Fast jeder von uns hat eine interessante Hintergrundgeschichte. An der Uni hat niemand ein Problem mit Einwanderern. Wir haben gerade unsere Flyer für die nächste Mensa-Spielenacht auf Englisch und Arabisch übersetzt und wollen einige in der Uni-Sporthalle verteilen, die zurzeit ein Flüchtlingslager ist.

An anderen Stellen in der Stadt gibt es Widerstand. Bürger blockieren Straßen mit Autos. Eine Gruppe von 200 Flüchtlingen weigert sich, eine weitere Turnhalle zu beziehen, statt direkt auf Wohnungen zu verteilt werden. Kirchengemeinden bieten Hilfe an, nachts werden Scheiben eingeworfen. Chemnitz ist eine politisch recht neutrale Stadt, viele hier sind hilfsbereit, das Rote Kreuz kann sich erlauben, allzu lumpige Kleiderspenden abzulehnen. Einige jedoch sind feindselig und richten direkt großen Schaden an.

Pauschalisierungen helfen niemandem. Es gibt nicht die Deutschen, Sachsen, Chemnitzer, es gibt nicht die Flüchtlinge. Nicht alle fremdenfeindlichen bezeichnen sich als Nazis, aber viele sollten so behandelt werden. Nicht alle Flüchtlinge sind dankbar und brav, die meisten schon. Nicht alle Forderungen, die zurzeit die Runde machen, sind dumm, aber oft sind die Argumente falsch. Wir haben inzwischen alle gesehen, dass die Menge der Asylbewerber zu schnell ansteigt, um sie in einem vernünftigen Rahmen zu bearbeiten. Pauschal alles zu verurteilen, was nicht "wir nehmen sofort jeden auf, der vor der Grenze steht", bringt niemanden weiter, aber es mangelt an Lösungen, wie die Menschenmassen gehandhabt werden können.

Letzte Woche habe ich Imagine Dragons gesehen. Die kommen aus den USA, und sie haben nicht nur spontan einen Song zur Flüchtlingsthematik geschrieben und aufgeführt, sie haben auch ihren ehrlichen Respekt für Deutschland ausgesprochen. Der Einsatz, der hier gezeigt wird, um Menschen in Not zu helfen, sei vorbildlich für die ganze Welt, und die USA sollen sich daran ein Beispiel nehmen.

Das ist ein verdientes Lob. Auf Bundesebene glänzt die Politik nicht gerade mit tollen Ideen und die Frage, wie die Verteilung und Unterbringung von immer neuen Flüchtlingen gelöst werden soll, ist immer noch offen. Dort, wo die Unterkunftsfrage geklärt ist, zeigen sich aber Hilfsbereitschaft und Integrationswille: Sachspenden werden gesammelt und verteilt, Sprachkurse und Dolmetscher organisiert, Freizeitangebote geschaffen um die Menschen auch mal aus den Turnhallen heraus zu bekommen. In der Chemnitzer Studentenszene fallen viele von ihnen gar nicht auf - es sind Menschen, die in Supermärkten einkaufen, auf der Straße nach dem Weg fragen, sich für Fußball und Musik interessieren und Bier trinken. Flüchtlinge tragen kein Schild um den Hals, und wenn wir ihnen keinen Stempel aufdrücken, wird unsere Gesellschaft bloß ein bisschen bunter.