Review: Tomb Raider Anniversary


Stadt.jpgDie Tomb Raider-Serie war, beginnend mit dem allerersten Teil von 1996, entscheidend für meine Neigung zu Videospielen, ebenso wie die zeitgleich gestartete Crash Bandicoot-Reihe. Gemeinsam oder im Wettstreit mit meinem Vater zockte ich mich durch die ersten vier Teile auf der Playstation 1, konnte mich für den fünften dann nicht recht begeistern und verlor Lara Croft dann erstmal aus den Augen. Mit Legend spielte ich Tomb Raider erstmals am PC, per Emulator dann auch die alten Playstation 1-Teile wieder. Nun fand das inzwischen auch schon acht Jahre alte Anniversary den Weg zu mir, ein Remake des ersten Teils zum 10-jährigen Jubiläum.

Tomb Raider: Anniversary wirkt vom ersten Moment an sympathisch. Die Grafik ist wirklich schön, Lara hat endlich mal eine richtige Stimme statt merkwürdige Laute von sich zu geben. Alleine schon das Croft Manor ist wunderbar gemacht und hat mich mehrere Stunden bespaßt. Sogar an den Gag mit den Kisten im Wohnzimmer wurde gedacht (wenngleich der ja gar nicht aus dem ersten Teil stammt).

Auch die Level sind liebevoll nachgebaut worden. Viele erkenne ich sofort wieder, obwohl es Jahre her ist, dass ich das letzte Mal den originalen Teil gespielt habe. Gleichzeitig staune ich über die nun viel beeindruckendere Grafik. Auch sind die Szenarien freier begehbar, beispielsweise können Kisten nun nicht mehr nur in rechteckigen Bahnen mit abgesteckten Blöcken, sondern völlig frei bewegt werden. Innerhalb der drei Welten Peru, Ägypten und Atlantis sind die Übergänge zwischen den Leveln fließend, man kann also nahtlos zwischen Leveln hin- und her laufen.

Lavahöhle.jpgDabei fällt allerdings auch gleich der erste Bug auf: Irgendwann in der Mitte des Spiels hat sich mein Spielstand nicht mehr gemerkt, in welchem Level ich war. Nicht, dass Fortschritte verloren gegangen wären - aber die Levelstatistik bezog sich ab da immer auf das voran gegangene Level, so dass nicht mehr ersichtlich war, wieviele Secrets noch offen waren. Generell funktioniert das Speichern aber sehr gut und vor allem gibt es wie schon in Legend reichlich Checkpoints - im Gegensatz zur Playstation-Version des Originals, wo Speicherpunkte rar und nur einmalig benutzbar waren, was den Frustfaktor massiv erhöhte.

Leider steigt der Frustfaktor auch bei Tomb Raider: Anniversary mit der Zeit. Das neue Kampfsystem lässt sich unfassbar schlecht bedienen. Gegner werden automatisch anvisiert - ich habe bestimmt fünf Level gebraucht, bis ich raus hatte, wie man dann noch zu einem anderen Gegner wechselt. Damit nicht genug - auch anschießbare Objekte wie Schalter werden anvisiert. Dabei wird zwingend immer ein Gegner oder Objekt anvisiert, das gerade im Sichtfeld ist - das führt gerne mal dazu, dass drei Gegner von hinten kommen, während Lara vorne steif auf einen Schalter guckt und ums Verrecken nicht woanders hinschauen möchte, denn man soll ja das Ziel nicht aus den Augen verlieren. So werden Kämpfe zum Wutanfall, wenn mehrere Gegner ins Spiel kommen - selbst wenn der einzelne leicht auszuschalten wäre.

Turm.jpgDas merkt man besonders bei den Bossgegnern. Hier lenkt nichts ab und man kann locker herausfinden, was der Trick bei dem jeweiligen Boss ist, denn stumpfes Ballern ist hier nie angesagt. Die Bosskämpfe waren so mit die leichtesten. Überhaupt ist der Schwierigkeitsgrad massiv gesunken, auf "mittel" hatte ich am Ende 36 große Medipacks (vollständige Heilung) für den letzten Endboss übrig - und brauchte davon nur zwei.

Kämpfe sind also definitiv nicht die Stärke von Anniversary. Das merkt man auch daran, dass erst ganz am Ende auf Menschen geschossen wird, Gewalt wird hier nie als eine gute Lösung dargestellt. Auch die Waffen sind eher unspektakulär. Dafür stehen Rätsel im Vordergrund - und die sind wirklich gut. Einige sehr knifflig, viele mit etwas Nachdenken gut lösbar, aber fast alle raffiniert und interessant. Blicke in eine Komplettlösung waren diesmal nicht erforderlich. Auch die Kletterpassagen sind gut geworden, Lara kann nun auch auf Pfeilerspitzen balancieren und verfügt über einen Schwunghaken, was den möglichen Aktionen mehr Vielfalt verleiht. Der Haken ist allerdings ausgesprochen knifflig zu bedienen, es empfiehlt sich dringend, die Benutzung vor den letzten Leveln intensiv zu üben, da die zum Ende hin immer häufiger werdenden Zeitrennen sonst irrsinnige Frustration auslösen. Im vorletzten Level hätte ich fast meine Maus aus dem Fenster geworfen, weil dort das fürchterliche Zielsystem mit einer Schwunghaken-Passage und einigen schwer zu timenden Sprüngen zusammenkam und obendrein das ganze Spiel plötzlich anfing zu haken.

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Die vielen Checkpoints und die großzügige Versorgung mit Munition und Medipacks machen solche Abschnitte erträglich, dennoch trübt das die Spielfreude vor allem gegen Ende sehr. Dabei könnte es so ein schönes Spiel sein - es besitzt ausreichend Abwechslung und Schwierigkeit, um deutlich mehr Spielzeit zu bieten als Legend. Der normale Levelverlauf ist meist offensichtlich, aber nicht stumpf, und die Secrets sind größtenteils anspruchsvoller, aber für den erfahrenen Tomb Raider-Spieler gut zu lösen. Die Story hält alles lose zusammen, aber wie immer steckt nicht allzu viel dahinter. Spaß hatte ich definitiv mit Anniversary - trotz freischaltbarer Extras (andere Outfits, Level auf Zeit spielen, Galerien u.ä.) und witziger Gimmicks (ohne Texturen spielen) bin ich aber wenig motiviert, nochmal von vorne anzufangen. Vielleicht zum nächsten Geburtstag - ist ja nicht mehr lange bis dahin.