Artikel von

Konzertheld


777 Tage

Das Projekt 55 in 777, angelehnt an das Day Zero Project, soll über einen großen Zeitraum kleine und große Erfolge sichtbar machen. Dafür habe ich eine Liste mit 55 großen und kleinen messbaren Dingen erstellt und verfolge diese nun 777 Tage lang. So sah diese Liste am Anfang aus. Der Übersichtlichkeit halber habe ich Kommentare zu bereits im letzten Check abgeschlossenen Punkten entfernt.

Endstand: 22/45

Heute zunächst einmal die normale aktualisierte Liste, danach erstelle ich dann auch eine Auswertung des Projektes und stelle ein neues vor.

Sport / Ernährung

  1. 100 Liegestützen schaffen (13/100)
  2. 200 Sit-Ups schaffen (89/200)
  3. :check: 500 Kilometer mit dem Fahrrad zurück legen
  4. 2 Wochen vegan leben (0/2)
  5. 10 Gerichte aus 10 verschiedenen Ländern kochen (3/10)
    Pizza nach italienischer Art (die tatsächlich anders ist als die deutsche); Tofu nach vietnamesischem Rezept; Persische Eierkuchen mit Lauch und Walnüssen
  6. :check: Zu Weihnachten mindestens 10x backen
  7. :check: Marmelade selber machen
  8. :check: Pudding selber machen

Digital

  1. :check: Alle 77 Tage ein Update dieser Liste posten (9.5/10)
    Close enough.
  2. :check: 100 Artikel schreiben, die nicht Teil einer Serie sind (100/100)
  3. Mein gesammeltes Videomaterial von TEN SING zusammenschneiden (0/3)
  4. :check: 15 Beiträge zu Habari leisten (veröffentlichte Plugins oder Themes oder Core-Bugfixes)
  5. Eine Woche offline gehen (3/7)
  6. :check: 1000 Posts erreichen (1010/1000)

Foto / Musik

  1. Portfolio mit min. 20 Fotos pro Kategorie füllen (24/60)
  2. 100 Songs am Schlagzeug vollständig spielen können (44/100)
  3. 50 Songs am Bass spielen können (22/50)
  4. 10 Songs an der Gitarre spielen können (7/10)
  5. :check: Weiterhin min. 1x im Jahr auf ein Konzert im Ausland gehen
  6. Einen Film selber entwickeln
  7. Einen "Lost Place" besuchen
  8. :check: Beide CD-Regale füllen
    Ich werde auf jeden Fall in sehr naher Zukunft ein drittes brauchen...

Reisen

  1. :check: Beim Kirchentag in Hamburg dabei sein
  2. :check: Beim YMCA-Festival in Prag als Volunteer dabei sein
  3. :check: In einem Nachtzug schlafen
  4. Eine Reise nur mit Couchsurfing bestreiten
  5. Eine Reise mit mindestens einer Übernachtung nur mit dem Fahrrad bestreiten
  6. :check: Eine Deutschland-Rundreise machen
  7. :check: Nochmal nach Brighton reisen

Freizeit allgemein

  1. :check: Erdbeeren pflücken gehen - war ich nicht mehr seit ich Kind war!
  2. :check: Geocachen gehen
  3. Die Herr der Ringe-Trilogie lesen (0/3)
  4. :check: 5 Bildungslücken bei Filmen schließen (5/5)
    Gesehen: Die fabelhafte Welt der Amélie, Pulp Fiction, Täglich grüßt das Murmeltier, Juno, Die zwölf Geschworenen
  5. 5 Träume aufschreiben (4/5)
  6. :check: An einer Demo teilnehmen

Bildung

  1. Jede Woche einen zufälligen Wikipedia-Artikel lesen (0/111)
  2. Jeden Monat einen zufälligen englischen Wikipedia-Artikel lesen (0/26)
  3. Grundkenntnisse in einer vierten Sprache erwerben (0/3 - A1, A2, B1)
  4. Begrüßung und Verabschiedung in 10 Fremdsprachen lernen (4/10)

Organisation

  1. :check: Regelmäßig (wöchentlich) den Finanzplaner in Ordnung bringen
  2. Weihnachtsgeschenke spätestens Nikolaus zusammen haben (0/2)
  3. Jahresrückblick spätestens am 28.12. fertig haben (1/2)
  4. :check: Keller aufräumen

Menschen

  1. :check: Nachbarn ansprechen
  2. Alle TEN SING-Gruppen im Westbund besuchen (12/34)

Aber nicht alle Dinge sind messbar. In den vergangenen 77 Tagen...

  • ...verbrachte ich Weihnachten erstmals mit Freunden,
  • ...erlebte ich unsere Mensa als riesige Gesellschaftsspielparty,
  • ...besuchte ich eine alte Freundin,
  • ...besuchte ich endlich wieder ein TEN SING-Seminar und stellte fest, dass es mir immer noch riesigen Spaß macht.


TEN SING Sachsenseminar: I want to be a hippie

Mit Fotos von Anna "Uschi" Kammbach

Geronimo sagt, an dieses Seminar werden wir uns noch lange erinnern, und wenn wir irgendwann nicht mehr jeden Tag von der Freude und dem Glück der vergangenen Tage zehren können, werden uns Lieder daran zurück denken lassen, Erinnerungen wieder hervor holen und auch in einigen Jahren noch Bilder vor unserem inneren Auge erscheinen lassen. TEN SING in der eigenen Gruppe ist ein Lichtblick in jeder Woche - TEN SING in der großen Gemeinschaft verändert Leben.

Zu so großen Worten verleiten mich sechs Tage TEN SING-Seminar in Meerane/Sachsen. In fünf davon haben wir mit über 90 Leuten eine knapp zweistündige Show erarbeitet - das allein ist enorm beeindruckend, und wer die Vorbereitungen genauer betrachtet, wird merken, dass noch viel mehr dahinter steckt.

Sonntag Nachmittag, ich bin zu spät, platze in meinen Workshop, also die Bassisten-Gruppe der Band. Fünf Menschen erwarten mich, einer von ihnen stellt sich als Florien vor und erklärt gerade, welche Töne wo auf dem Griffbrett liegen und wie man seine Hand am Besten hält, wenn man die Saiten anspielt. Die anderen vier hatten teilweise noch nie einen Bass in der Hand - und doch werden Erik, Johanna, Merthe und Sarah am Mittwoch mit mir die Aula rocken und Paranoid, Move Your Feet oder Superheroes begleiten.

Montag, Chorprobe. Sind die Chorleiter so leicht zufrieden zu stellen oder sind wir so gut? Auf jeden Fall habe ich lange keinen so lauten Männerchor mehr gehört. Was bedeutet eigentlich der Text, den wir da singen? This is my deliverance, hands held high as you deliver it, you have made me a child of God. Richtig, das Christus-C im 5C-Modell von TEN SING. Bread without the leaven, ungesäuertes Brot. Christen können offensichtlich auch kräftig feiern, der Song geht gut ab!

Schnell ein Stück Kuchen schnappen und weiter zu den Modul-Workshops. Musiktheorie bei Maddin. Was ist ein Quintenzirkel und wofür ist der gut, und welche Akkorde harmonieren gut, wenn man sie in einem Lied verwendet? Das A ist die zweite Saite an Bass und Gitarre und A7sus2 ist ein A-Dur-Akkord mit hinzugefügter Septime und statt der ersten Terz einer Sekunde - der markante Abschluss-Akkord vom Intro von Behind Blue Eyes.

Workshops, Modulworkshops, LeistungsKompetenzWorkshops (LKW). Die erfahrensten und talentiertesten Teilnehmer aus den Workshops übernehmen direkt selbst die Leitung eines Mini-Workshops mit einigen anderen Teilnehmern und stellen in zwei Teams Shows in der Show auf die Beine. Alina singt "You Can't Hurry Love", aber am Schlagzeug sitzt nicht Phil Collins, das Drumkit ist elektronisch und ungewohnt, der Takt geht immer wieder verloren, für einen zweiten Song wird noch fix ein Ablaufplan geschrieben, ein paar Theaterleute haben Starallüren. Eine wuselige Stunde später haben sich alle zusammengerauft, jetzt läuft der Song, ein "Break" ist nur ein kurzer Break mit Schlagzeugbeat, aber bei "Stop" ist Ende für alle.

Das Essen ist immer der erholsamste Teil des Tages. Da der Raum zu klein ist, wird in zwei Schichten gegessen und die jeweils andere Schicht kann zum Entspannen genutzt werden. Dazu hat aber eigentlich kaum jemand Lust, im Bandraum läuft eine Jamsession, die Duschen sind immer noch kalt (oder schon wieder) und Texte für Solos muss man ja auch irgendwann auswendig lernen.

Erst Montagabend kehrt etwas Ruhe ein, es gibt einen Workshopgottesdienst (oder sagen wir Mitmachgottesdienst, damit nicht alles "Workshop" heißt). Die Aula wird gemütlich hergerichtet, ein Anspiel wird vorbereitet, in der Küche wird um die Wette Obst geschnippelt. Seelsorge wird angeboten, es gibt eine Andacht. Tränen fließen, Teilnehmer, die sich keiner Religion zugehörig fühlen, verkünden tiefe Ergriffenheit.

Mittwoch, letzte Proben vor der Show. Steven verhaspelt sich jetzt nicht mehr bei "Crazy", die Bandteilnehmer können ihre Songs auswendig und headbangen um die Wette. Die LKW-Probe ist zu langsam, das Theater kann nicht mehr proben, aber auch der zweite Song ist jetzt nur noch knapp vorbei an perfekt. Während wir noch Feedback sammeln, probt schon das zweite Team, das vorgestern noch zu wenig Schlagzeuger hatte und später mit "Born To Be Wild" die Halle zum Kochen bringen wird.

Das Abendessen ist diesmal unfassbar vielfältig, auch bereits eingetroffene Besucher werden im festlich dekorierten Glasgang mitversorgt. Am Schlimmsten ist das Warten, weil dann nichts mehr bleibt um die Nervosität zu überdecken. Wie war noch gleich das Ende des zweiten Refrains, irgendwas mit As-Dur? Dann Intro, rauf auf die Bühne. Die Scheinwerfer verbrennen einem gefühlt die Haare. Bombs away, SAY Geronimo! Der Techniker rauft sich wahrscheinlich immer noch die Haare, wie er bloß die Chordynamik abmischen soll, aber das Publikum tobt.

Merthe, die bisher nur Geige gespielt hat, spielt jetzt Black Sabbaths "Paranoid" mit Steven, der normalerweise Akustikgitarren in der Hand hat, es läuft so geil, dass Christian am Ende den Stagedive wagt. Die LKW-Teams übertreffen sich selbst - alle Aufregung wird zu Energie, Konzentration und Spaß statt Nervosität, Romy singt "Tage wie diese" trotz Lampenfieber fehlerfrei und ich sehe nur noch springende Menschen. Die Schauspieler haben alle ihre Requisiten beisammen und wir werden Zeugen von kochenden Känguruhs und gehirnfressenden Zombies im Gewissen eines Couchpotatoes, wechseln die Perspektiven auf unser Leben mit Hippie vs Hipster und fühlen mit einem äußerst genervten Busfahrer, bis er endlich den Mut aufbringt seinen Job zu schmeißen. Unnötig zu erwähnen, dass nach "Deliverance" Zugaben gefordert werden - offenbar haben wir doch oft genug unsere Stimmen geübt.

Eine fette Aftershowparty, eine kurze Nacht, vier aufgeräumte Schlafräume und eine Workshopeinheit später liegen wir uns dann schon zum Abschied in den Armen. Sachsen ist ein Stück kleiner geworden, viele Gruppen sind näher zusammengerückt und die heute verschickten Freundschaftsanfragen auf Facebook stehen nicht für leere Onlinekontakte, sondern für wunderbare Menschen, die nun durch eine gemeinsame Zeit verbunden sind. Eine manchmal stressige und oft anstrengende Zeit, aber auch eine lehrreiche und vor allem eine Zeit mit viel Gemeinschaft und Spaß, neuen Freunden, überschrittenen Grenzen und entdeckten Talenten. Wir freuen uns auf das Sachsenseminar 2016!



Reiferwachsen

Diese Woche erlebte ich einen interessanten Kontrast zwischen zwei verdrehten Welten. Bis Donnerstag war ich beim TEN SING-Sachsenseminar, um endlich mal wieder mehrere Tage am Stück von kreativen, begabten, liebenswerten Menschen umgeben zu sein und mich musikalisch auszutoben. Es war so toll, dass viele weinten, als es zu Ende war. Für diesen Text ist aber vor allem wichtig, dass ich viele Teilnehmer viel zu alt geschätzt habe, weil sie so viel Reife und Stärke zeigten. Weil 15-jährige sich vor einen Chor von 70 Leuten stellten und ein Lied dirigierten. Weil Menschen, die nie vorher einen Bass in der Hand hatten, in fünf Tagen so hart gearbeitet hatten, dass sie am Ende bei der Show die Menge zum Toben brachten.

Dann kam ich nach Hause und wusch meine Wäsche. Auf dem Weg zum Dachboden, wo der Trockenraum ist, traf ich eine Nachbarin, die mir mitteilte, dass ich mir eine eigene Wäscheleine mitnehmen könne, sie hätte alles abgehängt. Oben fand ich meine noch nasse Wäsche abgehängt und zusammengelegt auf einem Tisch vor und tatsächlich gab es die Wäscheleinen nicht mehr, auf denen meine Wäsche vorher gehangen hatte.

Der Hintergrund dazu ist, dass einer der Mieter ständig im Haus geraucht hatte und auch auf meine und die Bitte eines weiteren Nachbarn hin weder davon Abstand nahm noch sich überhaupt ernsthaft dazu äußerte. Wir schrieben also die Verwaltung an, denn das Haus stank, ich habe Asthma und Rauchen im Haus ist laut Hausordnung (aus eben diesen, wie ich finde recht nachvollziehbaren, Gründen) verboten. Die Hausverwaltung kam, verbot das Rauchen persönlich und beanstandete auch gleich einige andere Verstöße besagter Nachbarin. Damit habe ich mich offenbar so unbeliebt gemacht, dass ich nun ihre Wäscheleine nicht mehr benutzen darf.

Es ist nun nicht so, dass ich auf ihre Wäscheleinen angewiesen wäre, ich besitze einen eigenen Wäscheständer, den ich kurzerhand aus der Bodenkammer holte und aufstellte. Auch habe ich kein großes Interesse daran, mit meinen Nachbarn besser auszukommen als nötig. Aber wie kindisch und albern ist denn bitte diese Aktion? Eine erwachsene Frau mit Kindern teilt mir ernsthaft mit, wenn ich im Haus Unruhe stiften würde, müsste ich auch mit Gegenwehr rechnen, und hängt ihre Wäscheleinen ab, die bislang jeder mitnutzen durfte, dem danach war? Mir wird ins Gesicht gesagt, dass man sich von so einem Jungspund nichts sagen lässt? Kein Wunder, dass die Verwaltung unser Haus einen "Kindergarten" nennt.

Bei solchen Geschichten denke ich mir immer, dass das, was unsere Gesellschaft als Erwachsensein definiert, einfach nichts mit dem Alter zu tun hat. Teenagern, die in der Lage sind, Verantwortung für eine große Gruppe zu übernehmen, eine Band zu leiten, Chöre zu dirigieren und abendfüllendes Programm in Alleinregie zu erarbeiten, traut man nicht zu, alleine mit dem Zug quer durchs Land zu fahren oder einen anständigen Job anzunehmen - aber Menschen, die immer noch an Trotzreaktionen hängen und nicht zu normaler Kommunikation fähig sind, setzen Kinder in die Welt, dürfen Auto fahren und Unternehmen leiten?

Viele Altersgrenzen sind eine Mischung aus statistischem Richtwert und Willkür. Reife kommt mit der Zeit, aber sie steckt nicht in der Torte zum achtzehnten Geburtstag. Teenager sind keine unfähigen, verantwortungslosen Nervensägen, die man in möglichst enge Grenzen weisen muss. Schulabsolventen wissen nur selten sofort, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Studenten sind keine Sozialschmarotzer, die jeden Tag saufen und die man besser nicht anständig bezahlen sollte. Und unter denen, die all das hinter sich haben, sind immer noch genug, die man besser wie Kinder behandeln sollte. Die Merkwürdigkeit dieser ganzen Alterskiste ist so deutlich, dass es schon aufgeschrieben wie ein einziges Widerspruchsknäuel wirkt. Verrückte Welt, wann erkennst du wohl, wer hier wirklich Größe zeigt?



Düsseldorf - Leipzig

Ich sitze im Nacht-Fernbus und habe gerade eine Szene erlebt, die meinen Glauben an das Gute im Menschen wieder festigt. Ein junger Mann wollte mitfahren, bettelte den Fahrer an, er sei aus Dresden, Student und Freunde dort könnten für ihn bezahlen, er hat 35€ dabei, aber die Fahrt kostet 49€. Daraufhin hat doch tatsächlich jemand den Rest für ihn bezahlt oder zumindest ausgelegt, damit er mitfahren kann und nicht in Düsseldorf festsitzt. In Düsseldorf festsitzen ist nicht lustig, ich spreche da aus Erfahrung...

Ich lese In Plüschgewittern von Herrndorf und bin mir noch nicht sicher worum es geht, obwohl ich schon mehr als die Hälfte gelesen habe. Nach Tschick habe ich mir alles unter den Nagel gerissen, was in der Bücherei zu kriegen war, er schreibt einfach unglaublich gut.

Der Fahrer spricht vermutlich eigentlich gut deutsch, hat aber Probleme damit, die Vorschriften abzulesen. Immer wenn er improvisiert ist es flüssig. Bei den Regeln atmet er schwer, macht lange Pausen und lässt die Artikel weg.

Im Buch findet der Protagonist heraus, dass sein Date mit sexuell inkompatibel nicht gemeint hat, dass sie lesbisch ist, sondern dass sie Fetische hat. Man erfährt aber nicht, wie er das findet. Ich erlebe die Reise in Sprüngen, wie der Protagonist, der zuviel trinkt, sein Leben.

Wir sind in Bochum, gerade war Fahrerwechsel und der neue heißt Alex, duzt uns und sagt bei seiner Durchsage so alberne Sachen wie "wenn du zwischendurch Durst hast und vielleicht ne Cola willst oder ne Sprite, komm einfach zu mir, dann möchte ich dir diesen Traum gerne erfüllen", und natürlich freut er sich auch sehr das wir heute mal das Vergnügen miteinander haben. Eigentlich sagt er viel weniger als sein Kollege, aber er braucht dafür genauso viele Worte.

Bei Marsberg wache ich auf, werde nachdenklich, da hatte ich mal eine gute Freundin, die irgendwann verschwand. Gegen halb 2 bin ich fast wieder eingeschlafen, da fängt einer das Schnarchen an. Zeit für den MP3-Player. Der hilft nicht beim Einschlafen, aber immerhin bin ich dann nicht genervt.

Als Ruhen bezeichnen Psychologen einen Zustand, in dem das Gehirn ähnlich arbeitet wie im Schlaf, die übrigen Körperfunktionen aber nicht so weit herunter gefahren werden. Diesen Zustand erreicht man bei Nachtfahrten wesentlich leichter als richtigen Schlaf. Dummerweise ist man dann irgendwann so ausgeruht, dass man weder weiter ruhen noch wirklich einschlafen kann.

Wir stehen. Die Polizei steht auch, aber dann bekommt sie grün, und dann wir. Sonst ist hier keiner um viertel vor vier. Ich sehe die Flippothek, aber der Schnee von der Hinfahrt ist weg. Immerhin müssen wir den Bus nicht verlassen. Das bedeutet allerdings auch, dass der schnarchende Typ einfach weiter pennt. Vielleicht gehe ich doch mal raus.

Der Bus hat die gleiche Heimat wie ich, er kommt von Grafs Reisen aus Gelsenkirchen. Viele Klassenfahrten wurden von denen durchgeführt. Alex sieht aus, als wäre er jünger als ich. Ob McDonald's mehr Umsatz macht, seit es so viele Fernbusse gibt, von denen viele an dieser Raststätte halten? Eine Laterne, die wohl mal von einem LKW getroffen wurde, schwankt im Wind.

Vor uns schert gerade ein Wagen aus Glauchau ein. Verrückt, wie oft ich unterwegs Glauchauer Kennzeichen sehe, Chemnitz dagegen nur selten. Der schnarchende Typ atmet Rotz und klingt jetzt nur noch widerlich.

Das Buch ist fast zu Ende, ich habe jetzt raus worum es ging, es war so simpel, dass ich es nicht gemerkt habe. Draußen liegt Schnee, wir sind gleich in Leipzig. Der Busfahrer rammt fast einen Transporter beim Auffahren auf die Bundesstraße, zumindest sieht das für mich so aus, bestimmt war es harmlos. Ich lese fix weiter.

Leipzig Hauptbahnhof. Ich sitze auf einer dieser Holzbänke, auf denen ich schonmal übernachtet habe, in Frankfurt. Das Buch nimmt kurz vor Schluss noch eine überraschende Wendung. Wieviele dieser Bänke es wohl gibt? Der Bahn-Mitarbeiter grüßt nicht zurück. Vermutlich wirke ich ziemlich herunter gekommen. Jeder wirkt so nach einer Reise über Nacht. Aber das ist okay, denn obwohl ich bis 23 Uhr in Duisburg war, sind es noch fünf Stunden bis zur Vorlesung und nur noch vier Vorlesungen in diesem Semester.



Vorbei rasende Höhen und Tiefen

Hiking - 0007.jpgAnfang …



Musik-Neuentdeckungen 12/2014

Wie jeden Monat stelle ich hier die Lieder vor, die ich neu entdeckt habe - weil ich sie zu schätzen gelernt habe, weil sie nach langer Zeit wieder aufgetaucht sind oder weil sie einfach neu sind. Radio, Konzerte, Festivals und Empfehlungen von Freunden und Bloggern bringen immer wieder frischen Wind in meine Sammlung und die hier ausgewählten Titel, oft auch andere Titel der Band, möchte ich als Empfehlung an euch weitergeben. Aufgrund der schwierigen Lage in Deutschland gibt es meistens keine Links, aber über Google, Spotify & Co findet sich alles.

Alison Mosshart - Tomorrow never knows
Mit Tomorrow never knows kam ich als Kind das erste Mal in Berührung, da meine Mutter großer Phil Collins-Fan ist und mich auch zu einem machte. Seine Version fand ich damals etwas verstörend. Heute bin ich großer Fan experimenteller Musik und halte sie mit den rückwärts abgespielten Aufnahmen und verrückten Sounds für ein Meisterwerk. Alison Mosshart (die mir als Sängern von The Kills bekannt ist) treibt es nicht ganz so weit, verleiht dem Song aber mit ihrer markanten Stimme ebenfalls eine überragende Ausdruckskraft. Bevorzugt laut anhören.
Blue - All Rise (WDR2)
Dieser Song muss über zehn Jahre alt sein, denn ich erinnere mich, noch Kinderradio Lilipuz gehört zu haben, als er rauskam. Während Blue weiterhin recht erfolgreich waren, ist das Lied in der Versenkung verschwunden und wurde an Heiligabend von WDR2 wieder ausgekramt. Auf dieser Liste landet es vor allem, weil es mich ein bisschen an die Zeit damals erinnert - der Text war mir damals durch die Sprachbarriere unverständlich, ergibt aber auch heute noch nicht allzu viel Sinn.
Swedish House Mafia - One
Inzwischen denke ich manchmal daran, auf Partys den Namen des aktuellen Tracks zu erfragen, und meist hat man den ja auch schon zig Mal gehört... "One" ist vermutlich einer dieser House-Tracks, an denen man in keiner Disko vorbei kommt. Muss man auch eigentlich gar nicht mehr zu sagen.
Outkast - Hey Ya
Gleiche Party, ganz andere Musik. Dieser Song erinnert mich immer an irgendwas bzw. löst eine bestimmte Stimmung in mir aus, von der ich mir aber selbst nicht sicher bin, wo sie herkommt bzw. woran es mich erinnert. Was soll's.
Panjabi MC - Mundian To Bach Ke
Und noch einer von J.s Scheunenparty. Obwohl dieser Titel Wikipedia zufolge eine ganze Richtung innerhalb des Hip-Hop begründete, ist mir bisher nichts ähnliches untergekommen. Indische Instrumentierung und Gesänge, eine Melodie ähnlich der Titelmelodie von Knight Rider und diskotauglicher Bass. Ziemlich schräg, aber auch ziemlich gut.


Momente, die glücklich machen

In der Adventszeit teilt sich die Bevölkerung zumindest ein bisschen: Einige gehen total im Kaufrausch auf, manche dekorieren wild, andere sind gestresst weil alles perfekt werden muss, die Glücklichen genießen ganz entspannt die Vorfreude auf Weihnachten und das Fest selbst und manche sind einfach die ganze Zeit grumpig, weil sie nichts damit anfangen können oder die aufgesetzte Glücklichkeit nicht ertragen. Ich gehöre zur backenden Fraktion und freue mir ein Loch in den Bauch, wenn die verschenkten Leckereien gut ankommen (und fülle es dann mit Schokolade). Inspiriert davon, aber für Adventsfreunde und -feinde gleichermaßen geeignet, möchte ich heute ein paar Einträge aus meiner privaten Liste schöner Erlebnisse mit euch teilen und damit auch ein bisschen Freunde am Leben - ganz unabhängig von der Jahreszeit.

TEN SING Kürten beim ökumenischen Kirchentag
TEN SING Kürten live

  • Eine Bekannte um Materialien zu einer Andacht bitten, weil man die so toll fand, und dann von ihr zum Kaffee eingeladen werden, weil sie sich so freut, dass die Andacht so gut ankam
  • Von Menschen erkannt werden, die man vor über einem Jahr ein einziges Mal getroffen hat und die einem zwar wichtig sind, weil man sehr prägende Erlebnisse mit ihnen hatte, zu denen man aber seitdem keinen Kontakt hatte
  • In der Bahn mit der Sitznachbarin zusammen anfangen müssen zu lachen, weil wir beide dem gleichen dämlichen Gespräch anderer Fahrgäste gelauscht haben
  • Bei einem Konzert mit unglaublich guter Stimmung den Rucksack fremden Zuschauern anvertrauen, um ihn zum Technikpult durchreichen zu lassen, und nach dem Konzert dort unversehrt einsammeln (Foto links unten von Philip Wilson)
  • Vor der Halle einer überfüllten Konzertlesung zu ein paar singenden Jugendlichen dazu setzen und selber Musik machen, und am Ende sitzt da vor der Halle eine riesige Gruppe singender, musizierender und Chips futternder Jugendlicher, die sich eigentlich gar nicht kannte

In unserem oft stressigen und nervigen Alltag ist es manchmal schwer, die Augen geöffnet zu halten für die großen und kleinen schönen Dinge, die uns ständig passieren. Daher schreibe ich immer wieder ein paar davon auf - eisbrechende Situationen in öffentlichen Verkehrsmitteln, Momente, in denen Vertrauen belohnt wird, Dinge, für die ich dankbar bin, Erfolgserlebnisse. Alles, was die Hoffnung stärkt, dass viele der Menschen um uns herum ganz wunderbar sind und dass wir in unserer merkwürdige Welt ein glückliches Leben führen können, wenn wir uns ein bisschen bemühen. Die Liste ist lang, und sie wächst immer weiter.



Deuter Aircontact und DSLR-Ausrüstung

Ergänzend zum Testbericht, der im Kauf eines Deuter Aircontact 65+10 endete, möchte ich noch zeigen, wie ich an eben dem Rucksack mein Kamera-Equipment angebracht habe. Leider gibt es nahezu keine Trekkingrucksäcke, die eine Unterbringungsmöglichkeit für eine professionelle Fotoausrüstung bieten, und schon gar keine, bei denen man auch noch schnell auf die Kamera zugreifen kann, wenn man sie mal braucht. Und wer nicht gerade explizit reist, um zu fotografieren, will nicht bei jedem Motiv anhalten, den Rucksack abnehmen, die Kamera rauskramen und danach alles wieder einpacken, vom Stativ mal ganz zu schweigen.

Während das Stativ nach einigen Versuchen gleich auf mehrere Arten montiert werden kann, lässt sich die Kamera-Problematik leider nur durch eine separate Tasche realisieren. Ich habe dafür meine Mantona Premium verwendet, die mir schon länger gute Dienste leistet und durch den abnehmbaren Schultergurt auch recht gut mit Karabinerhaken verwendet werden kann.

Die naheliegendste Variante ist, die Tasche an den Hüftgurt zu hängen. Dafür habe ich zwei alte Schnürsenkel seitlich an den Gurt geknotet und mir so ein paar Ösen geschaffen, in die die Tasche mit Karabinern eingehängt werden kann. (Nebenbei lernte ich, was ein doppelter Achter ist und dass er mir für dieses Vorhaben nichts nützt.) Dadurch habe ich quasi kein zusätzliches Gewicht und die Tasche hängt in einer angenehmen Position vor der Hüfte.

Nachteilig ist dabei natürlich, dass der Deckel bei dieser Montage zum Körper hin öffnet, andersherum wäre aber auch nicht besser. Eine Alternative wäre zum Beispiel, die Tasche an den Ösen an der Brustgurtverstellung einzuhängen, was auch den Rucksack schonen würde. Damit hinge die Tasche höhenverstellbar vor dem Bauch.

Bild des PrusikknotensUmsetzen lässt sich das besonders komfortabel, wenn man gleich vier Schnüre verbastelt, nämlich auf jeder Seite eine lange Schnur, die an besagter Öse befestigt wird und nach unten hängt, und eine zweite, die quer dazu geklemmt wird. Die zweite Schnur kann dabei ruhig kurz sein - sie dient nur dazu, anschließend den Karabiner mit der Tasche einzuhängen, der dann in der Höhe verstellt werden kann. Das funktioniert natürlich nur, wenn man einen geeigneten Knoten verwendet - die Knotenkunde bei WikiBooks hilft weiter. Das Bild zeigt den Prusikknoten, mit dem ich meine Schnürsenkel verbunden habe.

Bei der Reise hat sich dann allerdings herausgestellt, dass (mich) das Geschaukel der Tasche in beiden Fällen schnell nervt. Daher habe ich die ganzen Ideen wieder verworfen und einen ganz anderen Ansatz gewählt und die Tasche einfach zusätzlich zum Rucksack umgehängt. Das hätte ich die ganze Zeit schon tun können, mit dem normalen Gurt rutscht die Tasche aber immer herunter. Das Schulterpolster soll normalerweise das Tragen der Fototasche angenehmer machen, liegt nun aber auf dem Trekkingrucksack auf und rutscht daher. Abhilfe schaffte dann ein vor Ort improvisierter alternativer Schulter"gurt" aus den schon vielfach genannten Schnürsenkeln. Dadurch konnte ich die Länge selbst wählen und es gab genug Reibung, um ein Rutschen der Tasche vom Rucksack effektiv zu verhindern. Um die Kameratasche einzeln zu tragen, ist das natürlich total unbequem.

Fehlt noch das Stativ. Die Basis des eben erklärten Prusikknotens ist der Ankerstich, den viele sicher schon kennen und nur nicht benennen können - es ist der Knoten, mit dem man beispielsweise ein Schlüsselband an einer Gürtelschlaufe befestigen kann. Man führt dabei eine Schlinge um einen zu klemmenden Gegenstand oder wie beim Prusikknoten um ein Seil und dann wieder durch die Schlinge selbst. Damit habe ich versuchsweise mal das Stativ auf den Rucksackdeckel geschnallt.

Dort sind vier Ösen angebracht, an denen man auch Gepäckspanner einhaken könnte. Für vergleichsweise dünne Gegenstände wie das Stativ wären diese Spanner aber total überdimensioniert. So habe ich einfach zwei weitere Schnüre zu Schlingen verknotet (was dann Sackstich heißt - danke WikiBooks), durch jeweils zwei gegenüberliegende Ösen geführt und mit dem oben beschriebenen Ankerstich zugezogen. Das Stativ wird so wunderbar zwischen den Schnüren und dem Rucksackdeckel festgeklemmt. Der Knoten zieht sich fest, wenn man ihn gleichmäßig belastet - so wie es passiert, wenn das Stativ beim Transport gegen die Schnüre drückt. Zieht man von Hand nur an einem Ende der Schlinge, löst sich der Knoten sofort und man hat mit einem Handgriff das Stativ komplett gelöst. Das geht sogar schneller als früher bei meinem Fotorucksack, der eine Stativhalterung mit Gummis hatte.

Mit ausreichend langen Schnüren lässt sich die gleiche Methode auch auf der Längsseite des Rucksacks verwenden; das Stativ wird dann so montiert wie bei manchen Fotorucksäcken. Um ein Rutschen nach unten zu verhindern, kann man dann z.B. eine dritte Schnur als Sicherung direkt an das Stativ knoten und nach oben spannen. Allerdings erreicht man mit der Knotentechnik eine so hohe Festigkeit, dass das Stativ bei mir schon mit nur einer Schnur nicht mehr rutscht - mit zwei sollte es dann auch unterwegs halten. Rückenschonender ist allerdings die Position auf dem Deckel. Der Deuter Aircontact bietet außerdem seitlich Fächer für Wasserflaschen, die auch über Kompressionsriemen verfügen, so dass man das Stativ auch dort verstauen kann, wenn man nur eine Flasche dabei hat. Das war letztlich die Variante, für die ich mich entschieden habe, als der Rucksack im Flugzeug nach Island transportiert wurde.

Man sieht nun vermutlich schon, wieviele Möglichkeiten man hat, auch sperriges Gepäck auf praktische Weise zu verstauen, wenn man etwas Kreativität mitbringt. Die Knotenkunde hat mir dabei sehr geholfen; auf die Idee, Kletterknoten zu verwenden, wäre ich nie gekommen, wenn ich nicht letztes Jahr gesehen hätte, wie ganze Baumhäuser gebaut und befestigt werden nur unter Verwendung von Seilen und entsprechenden Knoten. Aber das ist wieder ein anderes Thema.