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Kommunikative Atmosphären

Beim Kirchentag in Dresden vor zwei Jahren ist mir folgendes Phänomen aufgefallen: Warum setzen wir uns beim Kirchentag (im Zug) lieber zu anderen, als alleine zu fahren, und ansonsten andersrum? Weil wir beim Kirchentag alle aus verschiedenen, aber verwandten Situationen kommen, aber normalerweise keinen Zusammenhang haben?

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren kann in unserer Gesellschaft zuweilen bizarre Ausmaße annehmen. Man sitzt sich gegenüber, starrt aber aneinander vorbei. Den Blick des anderen erträgt man nicht, jemanden anzustarren gilt als unhöflich. Wieso ist es so unüblich, im Alltag fremde Menschen anzusprechen?

Die häufigste Situation ist der Berufsverkehr. Wir fahren zur Arbeit, sind müde, unentspannt, unmotiviert, hatten im schlimmsten Fall noch kein Heißgetränk unserer Wahl. Oder wir kommen von der Arbeit, sind müde, unentspannt, ausgelaugt, haben im schlimmsten Fall noch weitere Termine an Orten mit kaputten Kaffeemaschinen. In einer solchen Situation mit fremden Menschen kommunizieren, die womöglich irgendein langweiliges Zeug zu erzählen haben? Die meisten Leute schaffen es nach Feierabend ja nichtmal mehr weiter als zwei Schritte in den Zug hinein ("Verzögerungen im Betriebsablauf").

Oder wir kommen von einer Reise zurück, von einem Konzert, von einer Party. Wir sind müde, aufgekratzt, im schlimmsten Fall nicht betrunken genug. Dafür geht uns der gröhlende Penner drei Reihen weiter vorne tierisch auf die Nerven. Der MP3-Player leer, die Freunde mussten in eine andere Richtung. Wir sind weit weg von unserem Wunschzustand.

Wunschzustände und der Alltag. Wir haben so genaue Vorstellungen davon, wie unser Leben aussehen soll. Sie haben im Wesentlichen mit uns zu tun, kaum mit unseren Mitmenschen. Und obendrein sind wir oft weit weg von dieser Vorstellung: Unser Alltag nervt uns, der Job ist scheiße, der Kaffee aus der Maschine im Büro schlecht.

Eigentlich wäre es doch gerade deshalb gut, mal ein paar Kleinigkeiten anders zu machen. Habt ihr mal im Zug jemanden grundlos angelächelt? Es ist unglaublich, wie sehr sich Leute über so eine Kleinigkeit freuen. Seid ihr mal mit einem Bus gefahren, bei dem der Busfahrer jeden Fahrgast freundlich begrüßt hat? Unfassbar, wie viel besser die Stimmung in diesem Bus ist. Habt ihr mal beobachtet, wie viele Leute plötzlich lachen, wenn der Kölner S-Bahn-Fahrer mal wieder eine auflockernde Durchsage macht?

Sobald unser Alltag gestört wird, und am einfachsten geht das durch den gemeinsamen Feind Deutsche Bahn ("Der ICE 1337 heute ca. 85 bis 90 Minuten später"), fangen die Menschen an zu kommunizieren. Erst heute wurde mein Regionalexpress erst auf ein anderes Gleis verlegt, dann wieder zurück, und dann kam er sowieso 20-30 Minuten zu spät. Und schon kann man einfach in Gespräche einsteigen, die andere Leute gerade führen.

Das funktioniert auch in positiveren Situationen. Bei den Typen mit den Van Canto-T-Shirts war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie auch zu Bochum Total fahren. Für wen die anderen Fotografen so unterwegs sind, wollte ich die ganze Zeit schon wissen. Nachdem man jemandem den Koffer die Treppe hochgetragen hat, kann man auch gleich noch fragen, wo es denn hingeht.

Und beim Kirchentag sind wir aus dem Alltag rausgerissen, entspannt, quasi im Urlaub, und meistens taugt auch das Frühstück was. Die Menschen um uns herum denken zwar vielleicht ganz anders, aber meistens kann man sich trotzdem mit ihnen unterhalten, weil sie aufgeschlossen und interessiert sind. Außerdem haben wir selbst gerade viele neue Eindrücke gesammelt.

Ich sage nicht, dass wir bei jeder 5-Minuten-Fahrt zur Uni unsere Sitznachbarn zutexten sollten. Die Anonymität der Großstädte ist ja manchmal auch ganz angenehm. Aber bei der 5-Stunden-Fahrt nach Berlin ergeben sich sicher Gelegenheiten für nette Gespräche. Oder ist euer Leben so langweilig, dass ihr weder selbst etwas zu erzählen habt, noch euch für die Welt um euch herum interessiert?



Von Schafen und Fehnen

In Bad Zwischenahn startete der längere und anstrengedere Teil der Reise. Meine Geocaching-Versuche waren recht erfolglos, da die meisten nahegelegenen Caches an muggelverseuchten1 Orten versteckt waren. Einer ist inzwischen wohl verschütt gegangen und an einem Ort ist nun eine Baustelle. Einige schöne Teile der Kleinstadt gesehen habe ich trotzdem und auch am Hafen des Zwischenahner Meers kam ich diesmal vorbei.

Das nächste Ziel war Augustfehn (nicht zu verwechseln mit Augustfehn II oder III - bei der Menge an Dörfern war für Stadtteilnamen keine Kreativität mehr übrig...); mit knapp 27 Kilometern war das die längste Teilstrecke. Meine vorbereitete Route startete am falschen Ende des Sees, so dass ich mich auf die Livenavigation verließ, und erstaunlicherweise klappte das diesmal zuverlässig. Die Strecke führte größtenteils an den vielen Baumschulen und ihren unzähligen Bäumen und Pflanzen entlang. Wenig befahrene Straßen und Radwege in Wäldern und an Gewässern führten direkt durch die wunderbare Natur im Ammerland. Aufgrund des trüben Himmels und der knappen Zeitplanung habe ich allerdings nicht viele Fotos mitgebracht.

Bei der Probe von TEN SING Augustfehn hatte ich dann soviel Spaß wie schon lange nicht mehr. Nachdem hier vor einiger Zeit Disziplin und Struktur so ausgeartet waren, dass Teilnehmer flüchteten, wurden diese nun stark zurück gefahren. Trotzdem schafften wir in der Chorprobe ganze fünf Lieder, auch die Solisten waren schon vorbereitet. Schön zu sehen, wenn die ganze in TEN SINGern steckende Verrücktheit und Ausgelassenheit zugelassen wird und die Produktivität trotzdem nicht allzu sehr leidet! hahahah

Anschließend fuhr ich mit Peter ins angrenzende Apen. Bei ihm hatten wir beim letzten Mal schon mein von der IC-Fahrt beschädigtes Licht repariert, diesmal wurden die Bremsen wieder richtig eingestellt und die Räder anständig montiert. Außerdem versuchten wir ein loses Pedal zu reparieren, was uns leider aufgrund der minderwertigen Schrauben nicht gelang, so dass ich wohl mal ein Fahrradgeschäft aufsuchen muss.

Ausgeschlafen ging es dann nochmal 23 Kilometer weiter nach Veenhusen zur Show von TS Moormerland. Da inzwischen Wind aufgezogen war, hatten wir die ursprünglich 28 Kilometer lange Route nochmal gekürzt - es dauerte zwar ewig, bis wir OpenRouteService dazu brachten, die von Google vorgeschlagene Route zu fahren, aber da ich die meiste Zeit gegen den Wind fahren musste, war es das wert. Es ist eine Schande, dass Google nun auch brauchbare Fahrradrouten berechnen kann, aber die Offlinefunktionen der Google Maps-App noch schlechter geworden sind (soll heißen, ohne mobiles Internet kann man mit der Route nichts anfangen, sodass wir sie wie gehabt aus OpenRouteService exportieren mussten).

Die Strecke führte diesmal zu großen Teilen am Kanal entlang, wo der Wind besonders stark, der Verkehr dafür aber nicht vorhanden war. Dafür begegnete ich Schafen und Kühen, die direkt an der Strecke weideten. Weniger erfreulich war das spontane Ende der Ausbaustrecke - nicht neu, aber immer wieder ärgerlich, wenn man plötzlich vor einem Grashügel steht, den man überwinden muss, um auf die andere Seite der Zugstrecke zu kommen - nur um dort festzustellen, dass der Weg den letzten Kilometer bis zur Straße nicht mehr angelegt ist.

Durch den Wind war die Fahrt natürlich sehr anstrengend. Trotzdem bereue ich nicht, selbst gefahren zu sein statt mich mit dem Auto mitnehmen zu lassen. Kilometer um Kilometer zurücklegen, nur mit dem Geruch von Sommerregen in der Nase und dem Rauschen des Windes im Ohr, befreit von allen Sorgen, die einen sonst im Alltag begleiten. Als ich am Showort ankam, war nicht nur mein Magen, sondern auch mein Kopf völlig leer. Kein Gedanke wurde mehr verschwendet an ungelesene Mails, offene Tickets auf der Arbeit oder irgendwelche Behörden.

TEN SING Moormerland hat dem Ganzen dann noch die Krone aufgesetzt. Mit dem schönen Motto "Zeitreisen existieren - wir nennen sie Musik" begab sich die älteste Gruppe Deutschlands auf eine musikalische Reise von Woodstock über den Mauerfall und Modern Talking bis in die heutige Zeit. Nicht nur einmal mussten wir lachen, wenn Oma Else ihrem Roboter-Begleiter erklärte, wie die Welt funktioniert - Dieter Bohlen zum Beispiel war damals ein "heißer Feger". Das ist aber kein hochtemperiertes, singendes Haushaltsgerät, wenngleich Bill von Tokio Hotel - heute ein "heißer Feger" - sogar aussieht wie ein Besen. Und als Else dankend ablehnt, Modern Talking von der Festplatte des Roboters zu laden ("nene, das war mal gute Musik"), freut sich auch das Publikum. :D

Nach der Show schloss ich mich nochmal den Augustfehnern an, um der unrühmlichen Fastfoodkette mit dem "McBörgerding" einen Besuch abzustatten. Nicht, dass das Ding besser wäre als der übliche Veggieburger, aber letzteren gibt es ja unverständlicherweise nicht im Menü. Dafür gab es Gratiseis für die gesamte Gruppe, als wir der Filiale ein Ständchen gaben. hahahah Zurück in Moormerland wurde noch zu Ende abgebaut, bevor Ina mich für die letzte Nacht aufnahm.

Eine viel zu kurze Nacht und ein entspanntes Frühstück später ging es dann mit Moormerländer Rosinenbrot nach Leer, um von dort wieder nach Hause zu fahren. Dank Treppen in Zügen und fehlenden Aufzügen ist die An- und Abreise mit dem Zug immer der beschwerlichste Teil der ganzen Reise. Trotzdem war es wieder eine tolle Zeit und im Herbst geht es sicher nochmal nach Norden. hahahah

  1. Ganz wie bei Harry Potter: Muggel sind die bösen unwissenden Menschen.


Kehrtwende

Freitag war ein komischer Tag. Es fing eigentlich noch recht harmlos mit unangenehmem Papierkram an, danach ging es nach Köln zum Musicstore. Von einem meiner Beckenständer ist die Schraube verloren gegangen und außerdem brauche ich endlich einen vernünftigen Hi-Hat-Ständer, der nicht ständig von alleine aufgeht.

Die Fahrt war trotz Freitagsverkehr recht angenehm und im Musicstore wurde ich ausgesprochen freundlich beraten. Die Schraube gibt es leider nicht als Einzelteil, aber man war - wenn auch erfolglos - bemüht, ein passendes Ersatzteil aus der Restekiste zu finden. Einen Hi-Hat-Ständer kaufte ich aufgrund des Transportproblems dann auch nicht, ließ mich aber beraten, was für mich wohl geeignet wäre.

Noch kurz eine geliehene Speicherkarte wieder abgegeben und erfolglos bei Media Markt nach einem Geburtstagsgeschenk gesucht, dann zurück nach Dortmund. Kurz vor Dortmund versagte gThumb, mit dem ich bis dahin die Fahrt über Fotos gesichtet hatte, den Dienst und verwarf meine gesamte Auswahl - Arbeit von drei Stunden weg. Ein paar Minuten später hielt der Zug auf der Strecke an - das Stellwerk in Dortmund war defekt. Wir standen erstmal eine halbe Stunde rum, dann wurde entschieden, dass der Zug wieder umdreht, um wenigstens die Rückfahrt anzutreten. Man solle dann in Witten - dem nächsten erreichbaren Bahnhof - auf die Lautsprecherdurchsagen achten.

Die gab es dann aber nicht. Zusammen mit G., den ich durch diese Umstände traf, ging's dann zum Fahrradverleih - leider ist Witten nicht an das Metropolradsystem, sondern an das Radstation-System angeschlossen, sodass wir nicht von Witten aus nach Dortmund fahren konnten. Stattdessen fuhren wir nach Lütgendortmund, um von dort mit dem Fahrrad in die Innenstadt zu fahren. Unseren Berechnungen nach würde das genauso lange dauern wie die Weiterfahrt von Lütgendortmund mit Bussen, aber mehr Spaß machen.

In der Tat war die ganze Aktion dann das Tageshighlight. Meine neue Bekanntschaft hat einen interessanten Job und dadurch bedingt schon Bombenangriffe in Israel gesehen, sah das ganze Zugdilemma also vergleichsweise entspannt. Bei der Radtour fühlten wir uns ein bisschen wie bei GTA: San Andreas ganz am Anfang, wenn man nur mit dem Fahrrad fahren kann und das auch nur langsam und schlecht. Wir müssen dringend an unserer Kondition arbeiten...

Die Strecke Lütgendortmund-Hauptbahnhof, die über Dorstfeld führte, erwies sich als sehr ruhig, aber auch deutlich länger als erwartet (insgesamt fast zehn Kilometer). Den Weg wies uns die Kombination Smartphone-WLAN und Tablet-Navigation - das Tablet musste dabei wieder mal sehr leiden und flog einmal in hohem Bogen aus dem Fahrradkorb. Wie schon beim letzten Mal überstand es das aber nahezu unbeschadet, nur ein kleiner Kratzer am Gehäuse zeugt noch davon. Wir lernten, dass zwei Minuten S-Bahn mit dem Fahrrad doch recht lang sind, dass der alte Hellweg in Dorstfeld heute nur noch von den dort ansässigen Firmen - Freitag abends also gar nicht - genutzt wird und dass 30km/h bergab sehr viel Spaß machen. hahahah

Die Höhen und Tiefen des Tages endeten dann damit, dass ich zuhause feststellte, dass mein Radcard-Tarif ausgelaufen und nicht verlängert worden war, so dass die kleine Aktion statt der erwarteten zwei ganze zehn Euro kostete. Überdies gibt es meinen alten Tarif gar nicht mehr, der neue mit ähnlichen Konditionen kostet nun 36 statt 8 Euro jährlich (und wird dadurch gänzlich unattraktiv). Wie schon gesagt, ein Tag mit einer merkwürdigen Ereignismischung, an den ich sicher noch eine Weile denken werde, wenn es bei der Bahn mal wieder eine Störung gibt.



Take some time. III

Wenn es nachts ruhig ist und kein Stress vom Tag mehr übrig ist, kann man sich auch mal etwas Zeit nehmen, um etwas zu genießen. So wie manche Leute morgens früher aufstehen, damit sie beim Frühstück in Ruhe die Zeitung lesen können.

Rockpalast Backstage: Ein Tag mit Frittenbude (29 Minuten)

Frittenbude beim Berlin Festival. Wenn man über die teilweise etwas seltsamen Zwischensequenzen hinweg sieht, ein sehr cooles Video, bei dem man tatsächlich mal ein paar interessantere Dinge über die Band erfährt als welchen Song sie auf dem letzten Album am meisten mögen - zum Beispiel was sie über elektronische Backing Tapes denken. Sehr geil ist auch die Szene, wie die Band ein Interview geben muss. Es geht zur Frittenbude und einer der Jungs wird verkleidet. Wann sieht man schonmal ein Interview von außen statt aus der Perspektive des Interviewers? Da wird dann auch klar, wieso die drei eigentlich keinen Bock auf Videoaktionen haben... auch der Gründer des Labels Audiolith kommt zu Wort und der kleine Bruder von Jakob.



Gedanken über das Leben: Lasst mal einen Normalsterblichen da dran

Gelegentlich mache ich mir in meiner kindlichen Naivität Gedanken über unser Leben. Kürzlich mussten dabei die Planungsexperten unserer Welt dran glauben. Wer ist zum Beispiel bei Flugzeugen auf die Idee gekommen, die Luft für die Klimaanlage neben den Triebwerken einzusaugen? Nun habe ich ja keine Ahnung vom Flugzeugbau und möglicherweise ist das tatsächlich die einzige Stelle, an der man so ein Lüftungsrohr enden lassen kann.
Aber: Ich bezweifele das. Enteisungsmittel, Schwefelsäure und was da sonst noch so durch die Triebwerke jagt - super Idee, direkt daneben die Atemluft abzugreifen. Da übertreffen sich natürlich Bestürzung und Verwunderung wechselseitig in ihrer Größe, wenn dann plötzlich giftige Dämpfe durch die Kabine wabern.

Es geht aber noch besser, nein, BEsseR: Mit der Pappnase, die die Brandschutzanlage für den neuen deutschen Prestigeflughafen konstruiert hat, möchte ich auch gerne mal über seine Berufserfahrung sprechen. Zunächst wollen wir uns kurz über ein paar Grundsätze der Physik im Klaren werden: Rauch steigt nach oben. Beim Absaugen von Luft entsteht ein Unterdruck.

Wie sieht nun folglich die perfekte Rauchabzugsanlage aus? Richtig: man sauge den Rauch möglichst nahe am Boden ab. Genau so hat man sich das beim Aushängeschild aller deutschen Bauruinen wohl auch gedacht. Und dann geschah das Unglaubliche, mit dem keiner gerechnet hatte. Es stellte sich heraus, dass der Unterdruck beim Absaugen des Rauches die Rohre der Brandschutzanlage von innen zerquetschen könnte. Wir wiederholen noch einmal: Geplant war, den - im Allgemeinen nach oben steigenden - Rauch in Bodennähe mit einer Wahnsinnskraft einzusaugen. Und warum das alles? Richtig: um die hässlichen Rohre an der Decke zu sparen.

Vielleicht sollte man auf die Pläne jedes größeren Projektes mal einen Normalsterblichen draufschauen lassen. Der unbedarfte Laie ist nicht betriebsblind und eröffnet so eine wunderbare Gelegenheit zur Selbstreflektion. Nächstes mal besprechen wir dann, wie man den Geometrieunterricht in einer sechsten Klasse dazu nutzen kann, dem Einbau von zu kurzen Rolltreppen vorzubeugen.



Eigenschaften

[...] wissenschaftliche Studien verfolgen oft das Ziel, nur die Unterschiede zwischen den Geschlechtern herauszuarbeiten. Wir ha­ben alle gelernt, das Männer diese, und Frauen jene Eigenschaften haben. Ich denke, Menschen haben bestimmte Eigen­schaften. Und die sind dem gesellschaft­lichen Verständnis nach dann eher weib­lich oder männlich. Ich sehe es so, dass jeder Mensch diese Eigenschaften in sich trägt; aber wir haben gelernt, bestimmte Eigenschaften nicht zu zeigen oder auszu­bilden, weil sie nicht der Rolle des eigenen Geschlechts entsprechen.

Selten so etwas Kluges gehört zum Geschlechter-Gesellschaftsstreit.



Die Kunst des Kunstrasenlegens

Neben attraktiven Aufträgen wie den Konzerten der Toten Hosen und Silbermond und finanziell attraktiven Aufträgen wie der aufwändigen AIDA Night of the Proms gibt es für Stagehands bei einer Personalvermittlungsfirma leider auch manchmal ätzende Jobs. So wie der Kunstrasen-Job. Arbeitsbeginn morgens um 3, planmäßige Dauer 4-6 Stunden. Die Nachtarbeit war dabei gar nicht das Problem...

Nach zwei Stunden beschlossen unsere wenig kommunikativen Arbeitsleiter (der Chef, ein zweiter etwas älterer Herr und ein junger ergebener Untertan), dass sie jetzt Frühstückspause haben - und verschwanden ohne weiteren Kommentar. Und ohne zu fragen, ob wir auch was von der Tanke wollen. Das mit der Frühstückspause haben wir uns auch nur aus den vorherigen Kommentaren zu nicht vorhandenem Kaffee zusammen gereimt... So saßen wir dann über eine Stunde einfach rum, denn Arbeiten ohne Anweisung ist strikt verboten und Kontaktdaten hatten wir keine. Ätzender kann eine Schicht kaum anfangen - zumal wir zu dem Zeitpunkt noch dachten, wir seien eh in absehbarer Zeit fertig, denn das Ausrollen der Rasenstreifen hatten wir inzwischen raus und zwei Drittel lagen bereits.

Gut eine Stunde später ging es also kommentarlos, ohne jegliche Erklärung oder Entschuldigung, genauso weiter wie vorher. Der Chef war inzwischen deutlich redseliger geworden. Er war mit seiner Firma, die offenbar Böden aller Art, also auch Gießböden wie Beton, anbietet, ja schon überall! In den USA für ein Laufturnier und in Australien und ach, am schönsten ist es in Malaysia, da ist das Essen so günstig. Und während er in einem irren Tempo immer wieder die gleichen Geschichten noch weiter ausschmückte, blieb keine Energie mehr zum Arbeiten übrig, so dass wir immer wieder einfach rumstanden und uns sein Gequatsche anhören mussten, statt zu arbeiten.

So ein Kunstrasen muss dann irgendwie rutschsicher gemacht werden und eine verbreitete Methode ist, zwischen die Bahnen Klett auf den Boden zu legen und das Flausch-Gegenstück auf den Bahnen daran zu befestigen. So hält sich der gesamte Boden durch sein Gewicht von Naht zu Naht. Unser Flauschband musste nun erst noch angeklebt werden und nun könnte man denken, das sei ja kein Akt. Aber bei dieser Firma braucht man zum Anbringen von 16 solcher 23m langen Streifen - 8 Mitarbeiter und fast 5 Stunden! Dabei klebt nur einer, zwei wärmen vorher den Boden mit Heißluftföhnen auf (der Kleber klebt nur richtig, wenn er warm ist - da erwärmt man natürlich den Boden, nicht den Kleber!), zwei halten den Streifen hoch, damit er den am Boden arbeitenden nicht auf dem Kopf festklebt, einer wickelt die Schutzfolie des Streifens auf (!), einer geht hinterher und tritt den Streifen fest und einer passt auf, dass sich die Kabel der Heißluftpistolen nicht verheddern.

Nach ein paar Bahnen verlor ich fast den Verstand und riss den Flauschstreifen an mich. Am Anfang durften wir nicht - schwierige Arbeit! - aber die Tatsache, dass wir für eine Naht eine halbe Stunde brauchten, hatte dann auch die Vorarbeiter etwas mürbe gemacht. Als dann noch zwei der anderen dazu kamen und auch das Vorwärmen beschleunigten, brauchten wir - Überraschung - nur noch 10 Minuten.

In dem gleichen Tempo wurde dann den Rest des Tages weiter gearbeitet. Die Tribünenbauer kamen und gingen, die Bandenbauer kamen und gingen auch irgendwann wieder, nachdem sie auf uns warten mussten, weil wir nicht im Zeitplan waren (warum wohl? Es gab doch sogar Kaffee!), die Presse kam und verschwand wieder. Wir blieben und schnitten Löcher in den Rasen, um mit weiß gefärbten Streifen die Strafräume zu markieren (hat man das nicht mal mit Kreide gemacht?). Das gleiche Spiel dann nochmal für die Logos der beteiligten Firmen, die auch ins Feld eingebaut wurden. Immer wieder schneiden, Folie mit Kleber bestreichen, nochmal nachmessen, die Messung korrigieren, kleben, warten, Pause machen, und weil es so anspruchsvolle Arbeit ist und zu wenig Werkzeug da war, durften wir auch nicht ran und konnten nicht auf beiden Spielfeldseiten parallel arbeiten.

Das Tollste daran war dann immer, wenn man mal nachgefragt hat, ob man denn mal arbeiten könnte (!). Zum Beispiel wenn der Chef am Rand saß und niemand etwas tat. Dann wurde nämlich in jammerndem Ton vorgetragen, was noch alles gemacht werden müsse. Ja wie wär's denn dann mal mit anfangen?! Schon die Aktion mit den Heißluftpistolen hätten die drei Firmenangestellten ohne uns fünf Helfer erledigen können, für das Schneiden wären wir auch nicht erforderlich gewesen. Nach 12,5 Stunden (!) musste ich dringend zu einem anderen Termin. Fertig war das Feld da immer noch nicht - es wurden immer noch Löcher geschnitten und danach musste auch noch Kunstrasengranulat gestreut werden...

Nach diesem Einsatz werde ich jedenfalls keine Aufträge mit unkalkulierbarem Risiko annehmen, nur weil ich denke, dass es mal was anderes ist als Rock'n'Roll. Warum ich bei dieser absolut lächerlichen Nummer nicht komplett den Verstand verloren habe, ist mir bis heute nicht klar...



Mit dem Rad von Couch zu Couch

Letzte Woche war ich für ein paar Tage auf Radtour in Ostfriesland. Winterreifen auf dem Rad, flaches Land, nette Leute, was kann da schon schief gehen - dachte ich. Verschiedene Ziele steckten hinter der Reise. Erreicht habe ich sie alle - die Verteilung hätte etwas anders sein dürfen.

Landschaftsfotografie

Na klar, viel Gegend, wenig Orte und wenn, kleine Dörfer. Wobei ich mir mit Leer, Moormerland, Aurich, Augustfehn und Bad Zwischenahn noch einige der größeren ausgesucht hatte, von Oldenburg am Ende mal ganz abgesehen. Aufgrund immer wieder einsetzenden Regens und anderweitig schlechten Wetters habe ich allerdings viel weniger fotografiert als geplant. Für ein paar tolle HDR-Aufnahmen hat es trotzdem gereicht. An einem Nachmittag fuhr ich mit W. mit dem Rad von Oldenburg nach Dreibergen, wir starteten im strahlenden Sonnenschein, aber der Wetterbericht hatte Eisregen vorhergesagt. "Im Norden kann der auch noch kommen", dachten wir... und behielten Recht.

Radfahren

Durch den Fahrradmietservice Nextbike hatte ich letzten Herbst das Radfahren wiederentdeckt, als ich nachts nach der Arbeit dank einem geliehenen Fahrrad relativ schnell nach Hause kam. In der Dortmunder Innenstadt erreicht man viel zu Fuß und mit dem Rad dann alles. Öffentliche Verkehrsmittel sind kaum nötig, ein Auto schonmal gar nicht.

In Ostfriesland gibt es zwar viele anständige Radwege, aber auch viel Wind und viel Dunkelheit. So scheiterte ich nicht nur einmal an einer für Fahrradfahrer unbenutzbaren Bundesstraße. In der ersten Nacht - mein Licht war im Zug kaputt gegangen - fuhr ich eine komplett unbeleuchtete Straße entlang, später in Bad Zwischenahn mehrere Kilometer durch den Wald. Ein Hoch auf die Taschenlampen-App für das Tablet. "Bist du an der soundso-Straße?" - "Ich hab keine Ahnung, es ist stockfinster!" :D

Daumen runter hingegen für alle Arten von elektronischer Navigation ("wenn möglich, bitte wenden!!!"). Bei meinem TomTom-Autonavi versagte der Akku viel zu schnell, bei allen Navi-Apps für Android auf dem Tablet tauchten immer wieder Bundesstraßen auf. Größere Umwege zugunsten meines Lebens sind offenbar keine Option für die App-Entwickler. So wurde ich dann zweimal eingesammelt, was die gefahrene Strecke recht deutlich reduzierte. Einmal nachts in Moormerland, als kein Zug mehr fuhr, und in Hesel auf dem Weg nach Aurich quetschten wir mein Fahrrad in K.s Corsa. Vielen Dank nochmal für diese Aktion! hahahah

Wenn man eine vernünftige Strecke kennt, kann man aber wirklich sehr schön Radfahren. Mit W. fuhr ich nach Oldenburg und zurück, insgesamt gut 30 Kilometer, größtenteils an einer Bahnstrecke entlang, abseits der Straßen. Wunderbar zu fahren, ruhig, entspannt und sicher - und landschaftlich schön.

Grenzerfahrungen

Landschaftlich schön ist die Gegend, durch die ich auf dem (planmäßigen) Weg von Aurich nach Leer fuhr, bestimmt auch. Für mich war sie vor allem dunkel, eisig kalt, menschenleer und unfassbar groß. Schon auf dem Weg nach Aurich fuhr ich fünf Kilometer über eine Bundesstraße, die aber immerhin einen Seitenstreifen hatte (trotzdem ein Erlebnis, das niemand braucht). Von Aurich nach Leer ging es dann über eine ähnlich dicht befahrene Landstraße ohne Seitenstreifen - das war zwar sogar offiziell beschildert als Radweg nach Leer, aber so gefährlich, dass ich bei nächster Gelegenheit abgefahren bin. Leider konnte ich das Navi nicht motivieren, mich eine alternative Strecke entlang zu lotsen, so dass ich erstmal drauflos fuhr, auf einen Radwegweiser hoffend.

Stattdessen gab es Gegenwind, so stark, dass ich schlicht umfiel mit dem Rad. Fahren nicht möglich, also schieben - und noch irgendwas mit knapp 30 Kilometer bis Leer. Auf dem Radwegweiser zwei Kilometer weiter stand Leer allerdings gar nicht mehr drauf - da war mir schon so weit alles egal, dass ich einfach Richtung Emden fuhr, mit schwindendem Akku, schlechtem Licht und bei einbrechender Dunkelheit. Das war zwar von der Richtung völlig falsch, aber immerhin gibt es dort auch einen Bahnhof...

Also erst an Feldern entlang, durch ein Waldstück, an einem einsamen Haus vorbei und schließlich parallel zur Autobahn - und plötzlich war der Radweg zu Ende. Irgendwo gab es eine Abzweigung und mit Blick auf das GPS hatten die Radwegschildschreiber wohl vorausgesetzt, dass man dort automatisch langfährt, auch ohne weiteren Hinweis ("hier abbiegen, nicht erst einen Kilometer Richtung Sackgasse fahren"). Da war es inzwischen völlig dunkel geworden, die Gegend wirklich vollkommen (!) menschenleer und die Situation an Gruseligkeit kaum zu überbieten.

Nach insgesamt 4,5 Stunden erreichte ich dann allerdings doch noch den Emdener Bahnhof und dort auch direkt einen Zug... durchgefroren, ohne Fahrkarte und ohne jede Ahnung, wieso ich noch nicht den Verstand verloren hatte. Danach war dann das Warten am Bahnhof Bad Zwischenahn und die Fahrt durch den dunklen Wald auch nicht mehr schlimm...

Menschen treffen

Couchsurfing ist grandios! Wegen diverser Probleme hatte ich die Reise im Dezember absagen müssen, aber alle drei Gastgeberinnen hatten angeboten, mich trotzdem aufzunehmen, wenn ich die Reise letztlich antrete, was bei zwei nun auch geklappt hat. Und - es ist tausend Mal besser als jede andere Übernachtungsgelegenheit. In Brighton habe ich schonmal mit Bed & Breakfast übernachtet, das war auch schon angenehmer als ein Hotel, aber nicht halb so persönlich wie Couchsurfing.

Klar ist es auch eine praktische Möglichkeit, günstig zu reisen, aber wenn man seine Gastgeber vorher sorgfältig aussucht, hat man auch die Gelegenheit, wunderbare Menschen zu treffen. Mit K. lernte ich im Schnelldurchlauf Aurich kennen, wir kochten und schauten "Die fabelhafte Welt der Amélie" und fuhren ans Meer (und fielen fast rein, weil es da schon so windig war). Zwischendurch trafen wir Ulli, leider nur kurz, weil sie bald weiter musste. Bei W. lernte ich etliche Stunden später heißen Tee zu schätzen, genoss die Ruhe auf dem Dorf und lernte eine WG in Oldenburg kennen, die mit aller Selbstverständlichkeit Containern geht.

Eigentlich ist das Internet schon länger eine gute Möglichkeit, Menschen kennen zu lernen, die anders leben als man selbst. Aber heutzutage nutzt niemand mehr *VZ und Facebook ist zwar gut geeignet, um mit Leuten in Kontakt zu bleiben, aber nicht so brauchbar, um neue Leute zu entdecken. Bei Couchsurfing funktioniert das besser. Irgendeinen Bezug zu seinem "Host" hat man immer, durch das gemeinsame Wohnen hat man meist viel Zeit, sich auszutauschen, und obendrein besteht auch die Möglichkeit, direkt noch mehr Leute aus der gleichen Gegend zu treffen (wie die WG aus Oldenburg, die auch selber Couchsurfer aufnehmen).

Mir hat's jedenfalls riesigen Spaß gemacht, trotz der kurzen Zeit und der Tatsache, dass ich am Ende krank war. Spätestens im Mai bin ich wieder auf Reisen, nach Berlin zum Yeah Yeah Yeahs-Konzert - dort gibt es sicher viele Couchsurfer, aber vermutlich auch viele, die dort hin wollen. Mal schauen was sich daraus ergibt. hahahah