Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe, mit der ich meinen Lesern TEN SING näher bringen möchte. Dabei handelt es sich nämlich weder um Kampfsport noch um Tee, sondern um ein Jugendprojekt des CVJM, von dem ich, seit ich es kennen gelernt habe, wirklich begeistert bin. Und weil die Begeisterung, mit der die meisten Teilnehmer von TEN SING dabei sind, nicht für jeden nachzuvollziehen ist, werde ich in mehreren Artikeln auf verschiedene Aspekte eingehen. Nach verschiedenen Beschreibungen geht es nun ans Eingemachte: Wie läuft so eine Show ab?
Die Solistin für das nächste Stück steht mit konzentriertem Blick am vorderen Bühnenrand, das Mikro fest in der Hand, während die Zuschauer noch den vorherigen Song bejubeln. Dann erklingen die ersten Töne auf dem Keyboard, erneut bricht Jubel los und die Zuschauer wissen: Sie muss sich gerade so konzentrieren, weil die Töne, die sie jetzt singen wird, extrem hoch und schwer zu treffen sind. Auch der Chor ist angespannt und selbst von den Fotografen hört man kaum noch Auslösegeräusche.
"Bring me to Life" läuft dann aber erfolgreich über die Bühne, Entspannung ersetzt Anspannung und erneut brechen Jubel und Fangesänge los. Es soll ein Abend des Jubels werden: Um die Überschneidung mit dem DFB-Pokalfinale möglichst gering zu halten, hat die Show der Hagener TEN SINGer bereits um 18 Uhr angefangen. Ungewöhnlich früh, aber am Feiern hindert das niemanden. Neben Eltern und Freunden sind auch TEN SINGer aus vielen anderen Gruppen angereist und singen immer wieder "Hey, TEN SING, you're so fun, you're so fun you blow my mind" und "Ihr seid spitze, hey!", was von der Bühne lautstark mit "Ihr aber auch!" beantwortet wird.
Die sechste Show der Hagener, die zum zweiten Mal im Gemeindehaus Vorhalle stattfand, ist eine schöne Oldschool-TEN SING-Show. Dass hier der Spaß vor allem anderen kommt, merkt man auch als Zuschauer sofort. Die meisten Jugendlichen stehen zum ersten Mal auf einer Bühne, haben heute ihren ersten großen Abend. Nicht alles läuft perfekt, aber Pannen werden gekonnt überspielt, vergessene Strophen mit Lachen weggewischt. Auch das Publikum zieht mit: Vor "Hallelujah" wird von einer Zuschauerin schnell mal mit der ersten Zeile ausgeholfen, in Umbaupausen singt das Publikum und die Band überbrückt die verbleibende Stille.
Es ist ein bunter Abend aus Chor-Band-Liedern, ruhigeren Duetten, dem Theaterstück um das "Tenopoly" und einem selbst entwickelten Tanz zu eigens dafür zusammen geschnittenen Songs. Wir bekommen den Beweis, dass man mit vier Akkorden eine beeindruckende Menge Songs bestreiten kann1, schmelzen zu "Behind Blue Eyes" dahin, singen "Fuck you" und "Mighty to save" mit und rocken schließlich zu "Last Resort" und "Du schreibst Geschichte". Und wir werden Zeugen, wie ein langweiliger Tenopoly-Familienabend zum schrägen Erlebnis wird, weil plötzlich Bruce Darnell den "Zweiten Platz beim Supertalent" bestimmt, gegen "Hagen 21" protestiert wird, als die Besitzerin aller vier Bahnhöfe die Renovierungskarte zieht oder die Mutter von der Polizei abgeführt wird, als sie ihrer Tochter die Miete nicht zahlen will.
Für mehr als die Hälfte der Teilnehmer war es das erste TEN SING-Jahr. Umso beeindruckender ist, was daraus entstanden ist: Das Band-Zusammenspiel funktioniert, die Solisten glänzen und auch der Chor ist präsent, obwohl die Besetzung dünn ist und die Chorleiterin teilweise selber Solo singt. So ist es nicht verwunderlich, dass die Gruppe bei den Danksagungen sich auch kräftig selbst feiert, denn alle Mitarbeiter haben ihre Aufgaben zusätzlich zu ihren normalen Teilnehmeraktivitäten übernommen. Ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Jugendliche in Eigenregie beeindruckendes leisten und damit ein gutes Beispiel für das Konzept TEN SING.
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- Eine Variante des im Internet bekannten 4-Chords-Songs, siehe hier: 4 Chords Song auf Youtube ↩