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Doppel-Doppelkonzert mit Claire & Venom Is Bliss

Nachdem das Claire-Konzert in Berlin letztes Jahr einfach nur großartig war, bedarf es keiner längeren Überlegung, um Karten für das Konzert in Leipzig zu kaufen. Die "The Great Escape-Tour Teil II" führt die junge Münchner Band in zahlreiche weitere Städte und sympathische kleine Clubs. Die Moritzbastei in Leipzig zum Beispiel liegt mitten auf - oder genauer gesagt unter - dem Campusgelände. Außer Konzerten gibt es dort auch Poetry Slam, Studentenpartys, Public Viewing und einiges mehr - zu Preisen, die Studenten guten Gewissens bezahlen können. Auch alkoholfreie Getränke unter 2€ sind gerne gesehen. Und auch wenn das Gemäuer nicht für jede Musikart die beste Akustik bietet, ist die alte Bastei einfach schick anzusehen, zumal die notwendige Technik mit Bedacht eingearbeitet wurde, um das Ambiente nicht zu zerstören.

Die Veranstaltungstonne, in der die Show statt fand, ist bis kurz vor Beginn fast leer, füllt sich dann aber zügig, als Venom Is Bliss auftreten und die Zuschauer von der Bar herüber kommen. Die sechs Kölner spielen erst seit sechs Monaten live und sind mit Claire nun erstmals auf Tour. Wenn sie ihren Stil als Electropop bezeichnen, vernachlässigt das in der landläufigen Vorstellung einige Elemente - der druckvolle Bass zum Beispiel ist deutlich imposanter als es die Generation "iih, Pop!" erwarten würde. Teilweise lassen sich die Songs eher in der klassischen Elektro-Szene verorten - was Venom Is Bliss auch mit Claire verbindet, die sich ebenfalls bei Tekkno und House bedienen.

Das zeigt sich bereits im neuen Intro, das gefühlt die Wände wackeln lässt und für großes Gejohle sorgt, als zu den Synthi-Teppichen die Bassdrum reinhaut und das Publikum passend dazu mit weißem Effektlicht geblendet wird. Überhaupt wird die Band diesmal gerne kontrastreich inszeniert - komplett schwarz gekleidet mit wohldosiertem Stroboskoplicht und weißen Lichtstrahlen erzeugt die großartige Technik einen düsteren Gegenpol zur doch eigentlich sehr positiven, aber eben auch sehr druckvollen und rhythmusbetonten Musik. Vergleiche mit Bands wie I Blame Coco oder gar Depeche Mode sind nicht an den Haaren herbei gezogen, verfehlen aber das Gesamtbild des Neon Pop.

Claire geizen auf der Bühne weder mit Songs noch mit Spaß. Bereits bei Pioneers kommt Bewegung in das in Leipzig extrem junge Publikum, das bei Venom Is Bliss noch eher schüchtern war. Einige Songs später sind Band und Zuschauer gleichberechtigte Teilnehmer des Konzertes - einen Bühnengraben gibt es eh schon nicht und vermutlich hätte man auf die Bühne auch verzichten können, so nah sind wir auch gefühlt an der Band dran. Die fünf sind selbst restlos begeistert und so feiern wir die Next Ones To Come alle zusammen.

Vom Album The Great Escape bekannte Songs werden mit anderen Effekten, neuen Synthi-Teppichen und heftigerem Sound neu erschaffen. Vor dem "offiziellen Ende" des Konzertes wird mit einer ausschweifenden Version von Resurrection noch einmal bis zum Bersten Spannung aufgebaut, die dann im vom Stimmverzerrer geprägten und live besonders beatbetonten Overdrive in den Zugaben gipfeln darf. Dazwischen eingestreut gibt es bereits die ersten neuen Songs - und erfreulicherweise entwickelt sich die Band sowohl in Richtung tanzbarem Pop als auch in Richtung melodischem Tekkno.

Wer dann nach dem Konzert noch nicht genug hat, bekommt die Chance, beide Bands persönlich zu treffen, da sowohl Venom Is Bliss als auch Claire ihre Merchandise-Stände selber betreuen (und nach der fetten Party noch erstaunlich fit sind). Ich ergattere eine der limitierten handmade-EPs von Venom Is Bliss, aber es kommt noch viel besser: Das nächste Konzert findet am nächsten Tag in Gießen statt, zwar 400km entfernt, aber ganz in der Nähe von I., die ich sowieso schon viel zu lange nicht gesehen habe. Mehr aus Jux frage ich nach einem Gästelistenplatz für den Zuschauer mit der längsten Anreise - und Kazimir holt ohne zu zögern sein Handy raus und schreibt mich mit auf die Liste! Vielen vielen Dank nochmal dafür an dieser Stelle! hahahah

Als Flo und Josie von Claire mich dann beim Rausgehen auch noch wieder erkennen, weil ich schon in Berlin in der ersten Reihe dabei war, ist klar: So verrückt das auch ist, ich muss in den nächsten Stunden irgendwie nach Hessen. Die Nacht bestand dann also aus Fernbus-Websites wälzen, Mitfahrgelegenheiten durchwühlen und Kontostand kritisch betrachten, I. anschreiben und The Great Escape in Dauerschleife hören. Morgens um 3 ist alles klar, schnell drei Stunden schlafen, ein paar Sachen in den Rucksack werfen und auf zum Bahnhof. Mit dem Zug wieder nach Leipzig, mit dem Bus weiter nach Frankfurt und von da per Mitfahrgelegenheit nach Wetzlar, von wo mich I. später zum MUK fährt (vielen lieben Dank auch dafür!).

Das Konzert im MUK ist nicht ausverkauft, trotzdem geht hier schon zu Beginn gut was ab. Der Sound ist wesentlich geiler als am Dienstag - wo kommt bloß der irrsinnige Bass her?! - und vermutlich trägt das auch dazu bei, dass Venom Is Bliss heute anständig gefeiert werden. Langsam aufbauende Songs wie Patience oder dem Titel widersprechende wie Silence heizen uns ein und auch die Band ist mit Hingabe dabei. Wirklich eine gute Wahl als Vorband und ich hoffe, die Jungs demnächst auch mal woanders live zu sehen. hahahah

Bei Aktionen wie dieser werde ich manchmal angesprochen, ob es nicht langweilig sei, das selbe Konzert immer wieder zu sehen. Das mag manchmal stimmen, selbst - oder gerade - von großen, bekannten Bands wird mir gelegentlich berichtet, dass auch Jahre später der Ablauf und der Sound noch exakt der selbe seien. Aber in der Regel ist doch jede Show eine einmalige Erfahrung - das Set ist vielleicht ein bisschen verändert, die Location ist eine andere, das Publikum kann ganz anders drauf sein. In Gießen ist der Sound ganz anders und auch die Zuschauer gehen viel mehr nach vorne.

Außerdem ist es auch schön, zu wissen, was kommt - so kann man sich vorher schon drauf freuen, denn man geht ja nicht mehrfach zu einer Tour, wenn einem die Konzerte nicht wirklich viel Spaß machen. Das großartige Intro, gefolgt von einem meiner Lieblingssongs, Pioneers, könnte ich mir zum Beispiel jeden Tag geben. Und auch die neuen Songs machen Spaß - mit jedem Refrain kann man wieder eine Zeile mehr mitsingen. Last.fm zählt 348 Wiedergaben von Claire-Songs, aber die Zahl ist locker untertrieben. Soll heißen: Wäre es nicht mit so hohem finanziellen und Zeitaufwand verbunden, wäre ich gerne noch länger "mitgetourt". hahahah

Und auch abgesehen von der großartigen Musik haben Claire und auch Venom Is Bliss ganz erheblich Sympathiepunkte gesammelt. Nicht nur wegen dem Gästelistenplatz und dem geschenkten T-Shirt hahahah , sondern auch, weil es ganz klar für die Band spricht, wenn sie Fans erkennt und sich nach dem Konzert noch so viel Zeit für das Publikum nimmt. Es mag teilweise daran liegen, dass das MUK keine 50.000 Zuschauer fasst (vermutlich nichtmal 500) oder daran, dass die Bandmitglieder ungefähr so alt sind wie ihre Fans, aber ich behaupte, es liegt auch einfach daran, dass es großartige Menschen sind, die nicht in ihrer eigenen Welt verschwinden, wenn sie von der Bühne gehen - oder anders ausgedrückt: die ihre Fans an ihrer Welt teilhaben lassen. Und genau dadurch wurden diese beiden Abende zu einem noch viel besseren Erlebnis als zwei einzelne Konzerte es sein könnten. Danke dafür!

Die Fotos wurden mir freundlicherweise von der großartigen Fotografin Franziska Lange zur Verfügung gestellt, die für das Leipziger Stadtmagazin Urbanite fotografiert. Dort gibt es auch eine Galerie mit noch mehr Fotos.



Chris Brown? Richtig, der war auch noch da.

Eigentlich wollte ich mir ja bloß noch die letzten paar Lieder von Chris Brown ansehen, schließlich ist es immer schön zu sehen, wie sich die aufgebaute Technik im Einsatz macht, selbst wenn man die Musik nicht mag. So kam ich also um 21 Uhr an (um 20 Uhr war planmäßig Anfang, um 18:30 Einlass und seit morgens um 8 standen draußen Groupies vor der Tür) und was war? Es lief Musik, die Halle dunkel, die Zuschauer mäßig schlecht gelaunt, der Star des Abends gab sich noch nicht die Ehre.

Etwa eine Viertelstunde später machte ich dann erstmal meinen Gehörschutz rein, denn das Introvideo startete und als dort Chris Brown erschien, rasteten die überwiegend weiblichen, minderjährigen Fans schon extrem aus. Ganz zu schweigen von dem Lärm, der ihm entgegen schlug, als er aus dem Boden seines Azteken-Raumschiffes emporfuhr. Diesem seltsamen Konstrukt kann auch die Laserbeleuchtung keine Schönheit einhauchen und da auch die Tänzer eher posen als tanzen, macht der gestochen scharfe riesige LED-Screen noch den besten Eindruck. Die Fans übrigens eingeschlossen, denn die feiern nicht, sondern filmen lieber. Eine dermaßen große Ansammlung Foto- und Videokameras habe ich bei einem Konzert noch nie zuvor gesehen.

Nach zwei Songs lässt sich Mr. Achsosexy dann mal zu ein paar Worten herab und Überraschung, auf einmal klingt seine Stimme ganz brüchig. Mehr als drei hingerotzte Fetzen Stimmungsabfrage gibt es aber nicht und danach auch nur noch einen weiteren Song - dann zieht er sich wieder zurück und "DJ Babey Drew", pompös über den LED-Screen angekündigt, aber für den Zuschauer unsichtbar, mixt in wenigen Minuten bei dunkler Bühne alles zusammen, was man 2012 in einer Disco braucht.

Die ohnehin schon nur von schwärmenden Teenies geprägte Stimmung in der Halle stirbt damit dann auch so langsam vor sich hin, die Tänzer, die nach dem DJ-Set als erstes wieder auf die Bühne treten, werden kaum noch bejubelt, nur für Chris ist noch etwas Gekreische übrig, als er noch einmal auf seiner Plattform aus der Bühne emporfährt. Die ganze Show ist unglaublich protzig, aber einfach nicht gut - niemand weiß, was das Bühnenbild eigentlich darstellen soll, die Tänzer sind keine Gruppe, sondern ein Haufen sich merkwürdig verrenkende und posende Individuen. Und was Chris Brown selbst angeht - der ist nur deshalb der Hauptbestandteil der Show, weil ihn alle so anhimmeln. Eine Band gibt es nicht, daher kommt der Großteil der Musik und auch der Großteil der Backing Vocals vom Band und ich als ungeschulter Nichtfan erkenne ihn teilweise gar nicht zwischen den pulsierend leuchtenden Anzügen der Tänzer.

Im weiteren Verlauf kommt der DJ nochmal für einige Minuten zum Zuge und legt unter anderem Gangnam Style auf. Als danach "Yeah 3x" kommt, fangen auch tatsächlich ein paar Leute an zu tanzen - am Rand des längst nicht vollen Innenraums, die in der Mitte filmen weiterhin. Nach Don't Wake Me Up scheint dann das Ende der Show erreicht zu sein, es wird stiller, dann Stimmen aus dem Off, eine Diskussion etwas zu tun, ein Video, wie sich Chris Brown einen Joint anzündet, was er dann in dramatischem Licht in Szene gesetzt auf der Spitze seines Bühnenpalastes auch tut. Gekreische (Mr. Sexy ist wieder da!) mischt sich mit Verwirrung (was sollte das denn jetzt?). Ein Song - Ende. Bühne dunkel, Saallicht an, ganz klare Botschaft: Keine Zugaben.

Die Karten für dieses Konzert haben zwischen 40 und 80 Euro gekostet - mir wäre es keinen Cent wert gewesen. 7 Stunden Aufbau und 4 Stunden Abbau für 2,5 Stunden Warten und eine Stunde lächerliche Show - manchmal steht der technische Aufwand in keinem guten Verhältnis zu dem, was damit dann geboten wird. Bleibt die Spekulation, ob unter den kreischenden Teenies auch Rihanna war, und wieviele Personen während dem Konzert ohnmächtig geworden sind oder Gehörschäden davon trugen...