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Tschick

Autobahn irgendwo 100 oder 200 Kilometer südlich von Berlin. Vom Schrottplatz einen Schlauch besorgen, um Benzin für den Lada zu klauen. Das abgedrehte Mädel ein Stück mitnehmen. Prag, ein Schweinelaster. AT MK IS, 2016 bis 2066.

Raus aus der Mensa, Gedanken drehen endlich wieder frei. Stille in der Baustelle. Kühle Sommerluft. 50km/h die Straße mit dem Fahrrad runter. Ein guter Abend für 2,10€.

Ich schaue selten Filme, aber wenn, falle ich oft total in die Geschichte hinein. Oder drifte mit den Gedanken völlig ab. In jedem Fall bläst es das Hirn einmal durch, einmal ganz raus aus dem Alltag. Deswegen geht Kino auch alleine - jede Kommunikation wäre unerwünschte Ablenkung. Kino ist meiner Meinung nach auch die schlechteste Art von Date. Vermutlich ist das auch der Grund, warum ich stets den gesamten Abspann anschaue (abgesehen von potenziell coolen Outtakes / zusätzlichen Szenen) - um den Szenen und den Gedanken noch einmal nachzuhängen. Ein Kinosaal mit den typischen Sesseln tut's dabei genauso gut wie die Uni-Mensa-Bar, in der montags Filme zu studentischen Preisen gezeigt werden. Die ist zwar nicht so bequem, dafür aber frei von nervigen Menschen, die reden oder herumlaufen. Und nur drei Minuten mit dem Fahrrad entfernt.



[gastbeitrag] Operation Walküre

"Nein, so kann es nicht weitergehen. Ich muss etwas tun. Ich werde *tür - pardon - zeltspaltöffnedich* Leutnant?" - "Der General ist da." - "Ich komme. Ah, Herr General. Wir müssen uns entscheiden. Lassen Sie sich zu einer heroischen Tat überreden, ziehen wir die Truppen aus diesem Loch ab! Blaaaa... Was? Grund? Ach, sagen wir, ich schreibe in meinen Bericht Trinkwasserknappheit. Okay? Okay."

So fängt's an, irgendwo in einer Geröllwüste, gelb getüncht das Bild, ernste Mienen, ein Bomberangriff! Mit Müh und Not versucht Cruise alias Stauffenberg in einem Auto zu fliehen. Eine zweite Staffel - bumm, peng, Ende. Stauffenberg liegt im Krankenhaus, eine Hand weniger und drei Finger an der anderen, dazu eine Piratenaugenklappe und ein künstliches Auge in einer kleinen Metalldose. Aber, Stauffenberg wäre nicht Stauffenberg, würde er in dieser Situation aufgeben. Nein, Stauffenberg ist schließlich Stauffenberg und verteilt jetzt erstmal Medaillen. Denn plötzlich darf er wieder in Deutschland seiner Tätigkeit nachgehen - wie, weiß keiner, vermutlich weil er so tapfer auf dem Boden der afrikanischen Wüste gelegen und auf Rettung gewartet hat.

Szenenwechsel. So'n Oberst und so'n anderer versuchen, das Regime mit einer alkoholisierten Bombe auszuschalten. Funktioniert aber leider nicht, fliegt fast auf, Pech gehabt. Tada, da kommt Stauffenberg! Schon drauf gewartet? Wunderbar. Kaugummi ist am zähesten, wenn man am Anfang kräftig draufrumkaut. Und den Punkt haben wir jetzt erreicht. Eine kleine Geheimgruppe ranghoher Militärangehöriger plant einen Putsch, einer ist dagegen, die Sache fliegt fast auf als die Mitglieder bei höchstrangigen Militärkollegen anklopfen und fragen, ob die nicht mitputschen wollen. Wollen die aber nicht. Wieder Pech gehabt. Tada, wer kommt da? Richtig, Stauffenberg! Vorher Außenseiter, jetzt Insider, der Muffel der Verschwörung wird gekickt, Stauffenberg legt los. Mit planen. Dabei schaut er die ganze Zeit wichtig drein. Damit's noch etwas dramatischer wird, kommt noch schnell seine Familie zu Wort, was passiert mit der, wenn er auffliegt? Könnte er es sich verzeihen, wenn seine Geliebten getötet und zurück zum eigentlichen Thema. Der Tag ist da, tara, vorher fragen wir noch schnell unseren neuen Adjutanten auf's gerade Wohl, ob der nicht mitputschen will. Altes Schema, neue Antwort, er will! Juhu! Da freut man sich fast mit Stauffenberg, auch wenn man weiß, wie's ausgeht.

Jetzt ist er aber wirklich da, der Tag. Kurze Einweisung in die neueste Sprengstofftechnologie, ab in die Aktentasche damit und rein ins Flugzeug, ins Auto, in den Bunker. Jetzt auf den Zünder und, he, wo ist der Typ? Abgehauen? Wie, was, wieso - naja, kommt Zeit, kommt die nächste Kriegsbesprechung. Jetzt aber: Vor dem Treffen Bombe scharf machen (Hm. Irgendwie haben wir das beim letzten Treffen auch vergessen. So konnte das ja auch nix werden!) und ab. Der Putschisten-Superplan: wir lassen die Ersatzwehr einfach im Glauben, sie würden die Regierung sichern, dabei stürzen sie die. Hinterhältig, oder? Ach ja, deswegen auch der Titel des Films: Die Ersatzwehr darf nämlich jetzt neuerdings bei sowas ran, hat Stauffenberg doch zum richtigen Zeitpunkt die geänderte "Operation Walküre" zur Unterschrift beim Kanzler vorgelegt - erfolgreich, weil er Wagner versteht. Da muss man die Änderungen an so einem wichtigen Plan gar nicht lesen, wir unterschreiben das einfach mal auf der letzten Seite des dokumentenecht mit Büroklammern zusammengepappten Loseblattsammlungsordnerpakets.

Und jetzt geht's so'n bisschen wie bei der Wahl: Gesicherte Gebäude ausstreichen und Wahl-, Verzeihung, Wehrkreise abhaken. Die Polizei Berlins auf der eigenen Seite, alles scheint so toll. Oh, Mist, Attentat misslungen? Feinde auf dem Vormarsch? Die Wehrmacht gegen uns? Ach verdammt, naja, Zeit für Tragik ist immer: Stauffenberg fragt verzweifelt nach seiner Familie und gibt im Wahn noch ein paar heroische Befehle. Showdown bei Goebbels - der riecht den Braten nämlich mit Cyankalikapsel im Mund noch aus Meilen Entfernung und da platzt dann endgültig alles. Vor irgendeinem 3D-gerenderten Gebäude (3D-gerendert ist in diesem Film eigentlich alles außer dem Wald und ein paar Barracken) mit geschätzen 101 Fahnen (viel mehr: 101 mal die gleiche Fahne, die weht, als würde ein gerader Wind genau im richtigen Winkel durch das Fahnenfeld streichen, so dass es optimal aussieht) wendet sich das Blatt; die Verschwörer werden gefasst, versuchen noch einen höchstrangigen General (man erinnert sich, da am Anfang war mal was mit denen) mit reinzuziehen, klappt nicht, alle werden erschossen, Abspann.

Zu Ende ist ein mittelmäßiger Film mit einer eher mittelmäßig gespielten Hauptrolle, der sich wie ein Kaugummi zieht und nur am Ende spannend wird - aber da weiß man ja eh schon, wie's endet. Getreu dem epischen Theater: Spannung auf den Gang, nicht auf's Ende, das kennt man schon. Zum Teil großartig inszeniert - vorrangig in den Szenen ohne Stauffenberg - macht der Film zumindest technisch keinen schlechten Eindruck, Tiefe kann man nicht erwarten. Die "Guten" handeln durchgängig vollverblödet, vorhersehbar und unlogisch, so dass man über den gesamten Inhalt besser nicht nachdenkt. Der pädagogische Lehrwert ist gleich Null, wenn man weiß, dass da mal so'n Stauffenberg und sein missglücktes Attentat waren. Denn vom Rest ist eh so gut wie alles falsch. Ein durchschnittlicher Tatort kann es vom Unterhaltungswert her mit diesem Film aufnehmen und pädaogischen Wert hat der Film, wie erwähnt, höchstens negativen.