Sieg der Mehrheit


Seit ein paar Tagen bin ich WhatsApp-Nutzer. Wie immer, wenn ich einen meiner Grundsätze umwerfe, ringe ich ein bisschen mit mir selbst, ob das wohl so gut war, daher werde ich meine Gedanken mal ordnen. Ich war einer der letzten in meinem Freundeskreis, der einen Internetanschluss bekam, ich habe erst seit 2004 ein Handy und erst seit 2014 ein Smartphone. Das mag seltsam erscheinen, schließlich begann ich, Programmieren zu lernen, als ich 9 war, und zerlegte unseren PC im Wohnzimmer, bevor mein Vater verstanden hatte, in welcher Reihenfolge man die SCART-Kabel am Videorekorder anschließen musste (ich bin mir nicht sicher, ob er es je verstanden hat). Aber es war bei allen drei einfach kein Bedarf da - vielleicht fühlt sich die Entscheidung für WhatsApp deswegen etwas anders an.

Denn Bedarf besteht da nach wie vor nicht. Es war diesmal vielmehr das Wegfallen von Gründen für meinen Widerstand.

  • Kommunikation per E-Mail kann ich schon lange nicht mehr durchsetzen und schlimmer als Facebook sind SMS und Threema1 nun auch nicht. Und anders erreicht man heutzutage einfach niemanden mehr.
  • Sicherheit? Mit vielen Personen, die ich nun per WhatsApp erreichen kann, kommunizierte ich bislang per SMS. Die sind nichtmal während der Übertragung verschlüsselt.
  • Datenschutz? Dass ich mich nicht von Facebook abmelden werde, habe ich schon vor längerem entschieden. Seit ich ein Smartphone nutze, lagern meine Kontakte auch wieder bei Google. Da WhatsApp nun zu Facebook gehört, ist es einfach irrational, es aus Misstrauen nicht zu nutzen.
  • Sicherheit, zum zweiten? WhatsApp fordert irrsinnig viele Berechtigungen auf meinem Telefon. Seit Android 4.3 kann man darüber aber die Kontrolle erlangen. In der Tat versucht WhatsApp gelegentlich ohne Anlass, meinen Standort abzufragen oder meine Kontakte zu ändern - das habe ich ihm nun schlicht verboten.
  • Sicherheit, zum dritten? WhatsApp ist bekannt dafür, Sicherheitslücken nur langsam zu schließen. Das passt mir gar nicht. Vielleicht ein Grund, warum ich noch ein seltsames Gefühl dabei habe.

Bei den drei vorhergehenden Kommunikationserweiterungen - Internet, Handy, Smartphone - war einfach irgendwann die Zeit reif. Ich habe vorher ohne überlebt, nun möchte ich keins mehr abgeben. Vermutlich wird auch WhatsApp schon bald normal sein - es zwingt mich ja auch niemand, es ständig zu nutzen, und auch Fotos und Sprachnachrichten sind verzichtbar.

An rationalen, schlagkräftigen Argumenten bleibt jedenfalls nur eins: WhatsApp ist nur verfügbar, wenn Internet verfügbar ist - im Gegensatz zu SMS, die quasi immer zugestellt werden können. Da mit dem Smartphone aber auch das mobile Internet bei mir Einzug gehalten hat und ich sowieso noch nie ein Fan von wirklich ständiger Erreichbarkeit war, ist das kein Problem (und SMS sind ja nicht abgeschafft). Ich werde mich also vermutlich in einer Weile daran gewöhnt haben, dass meine Standard-Kommunikations-App auf dem Handy nun etwas anders aussieht. Bevorzugt sind sowieso immer noch Telefon und persönliches Treffen - aber mit den Gründen dafür könnte man einen weiteren Blogeintrag füllen.

  1. Als sicherer und vertrauenswürdiger geltende WhatsApp-Alternative