Klinisches Praktikum 2. Tag - Einsetzen eines Schrittmachers


Auch den zweiten Tag des Praktikums verbrachte ich mit meinen beiden Kommilitonen auf der Intensivstation K010 und damit ihr nicht genauso erschlagen werdet wie ich, habe ich den zweiten Tag mal ausgelagert. Da gab es nämlich direkt wieder Action: Während wir noch müde bei der Visite den Pflegern hinterher schlurften, kam der Oberarzt rein und meinte, heute könne mal jemand mit in den Schrittmacher-Saal. Hier ich!

Schwupps zwei Türen weiter und wieder Vorbereitung, diesmal nicht nur im Raum und am Patienten, sondern auch an mir. Umziehen (jetzt nicht mehr in allgemeinblau, sondern in stylischem OP-grün1), OP-Schuhe an, Haarnetz, Mundschutz, blöde Witze reißen wie bescheuert wir alle aussehen, Schürze und "Kostüm" (Strahlungsschutz). Und natürlich: Feststellen dass die Realität mal wieder viel entspannter aussieht als im Fernsehen, der Herzschrittmacher-OP ist einfach ein Raum mit einem Regal, zwei Tischen und ein paar fahrbaren Geräten, mit direktem Übergang zu einem Vorraum mit typischer Büro-Arbeitsfläche. Nix mit Schleusen oder Beobachtungsfenstern (vielleicht woanders), bloß ein dickes Schild an der Tür - und ok, wir sind ja auch schon auf der Intensivstation, wo nicht jeder reindarf.

Herzschrittmacher

Auch im Saal hieß es wieder, gute Vorbereitung ist alles. Das Implantieren eines Herzschrittmachers dauert von Schnitt zu Naht nur 20-30 Minuten, insgesamt waren wir aber über eine Stunde beschäftigt. Desinfizieren der Patientin war natürlich angesagt und auch wieder allerlei Vorbereitungen zum Schutz der Wundumgebung. Der Eingriff wurde unter örtlicher Narkose durchgeführt, unsere Patientin war also bei Bewusstsein. Der Schrittmacher wird oben in die Brust eingesetzt, so kann auch das Gesicht verdeckt werden (man darf sich aussuchen ob zum Schutz vor Blutspritzern oder um als Patient nicht zusehen zu müssen). Auch die diesmal zum Einsatz kommenden elektrischen Geräte wollen kurz getestet werden.

Ablauf des Eingriffs (hier sagt niemand Operation) ist dann etwa so: An einer passenden Stelle wird das Hautgewebe durchtrennt bis runter auf die Muskelfaszie2. So wird eine Tasche geschaffen, in die der Schrittmacher eingelegt werden kann, und ein Zugang zur Vene. Mittels Katheter und der bereits bekannten Drahtführung werden unter Röntgenbildbeobachtung nacheinander die zwei Sonden unseres Zweikammerschrittmachers bis in das Herz transportiert und dort wahlweise eingehakt oder eingeschraubt. Dazu jeweils elektrische Tests, welche Spannung benötigt wird, um die zugrundeliegende Herzerkrankung zu therapieren (sollte möglichst gering sein, schont die Batterie). Dann Einsetzen des Schrittmachers und Zunähen.

Wir waren diesmal zu sechst im Raum, da jeweils ein Arzt und ein Pfleger gerade angelernt werden. Normalerweise wird der Eingriff von einem Arzt mit Assistenz eines Pflegers durchgeführt, dazu ein zweiter Pfleger, der an der entsprechenden Kontrollstation die elektrischen Tests durchführt.

Feststellung: Endoskopische Verfahren sind supercool. Vollnarkose ist nicht erforderlich, auch muss das Herz nicht eröffnet werden, überhaupt ist kein großes Aufschneiden nötig und auch der Schrittmacher ist bloß so groß wie ein 2-Euro-Stück. Gruselig ist höchstens noch die Vorstellung von in der Vene verlaufenden Drähten, die im Herzen festgemacht werden. Deren Lage und Fixierung wurde übrigens immer wieder kontrolliert, indem man die Patientin kräftig atmen ließ (nicht, dass alles verrutscht, sobald sie aufsteht).

Außerdem bemerkenswert: Es floss weitaus weniger Blut als am Vortag. Durchtrennte Blutgefäße werden umgehend elektrisch verödet, um den Blutfluss zu stoppen. Das erspart Transfusionen bzw. schont den Kreislauf und macht die Arbeit des Arztes angenehmer.

Während der Arzt die Patientin noch "zumachte", wurden parallel schon die am Schrittmacher eingestellten Werte dokumentiert, ein Schrittmacherpass erstellt und auch der Verlauf der OP, die verwendeten Materialien und die nötige Strahlendosis mussten erfasst werden. Bei so kurzen Eingriffen macht die Dokumentation schonmal 20% der benötigten Zeit aus, daher wird hier viel parallel gearbeitet. Das ist auch wichtig, weil beim nächsten Eingriff oder weiteren Einstellungen andere Personen beteiligt sein können - die dann schnell wissen müssen, wie es letztes Mal gelaufen ist.

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Foto des Schrittmachers: von J. Heuser unter der Lizenz CC-by-sa 3.0

Titelfoto (EKG, das eine Herzrhythmusstörung zeigt): von Bionerd unter der Lizenz CC-by 3.0

  1. Dieser Artikel zeigt sehr schön auf, warum OP-Kleidung grün ist - es steckt eine Menge Psychologie dahinter, und zwar sowohl Emotions- als auch Biopsychologie: Warum tragen Ärzte im OP grüne Bekleidung?
  2. Die oberste Schicht eines Muskels, also das erste, worauf man trifft, wenn man in Richtung Muskel durch die Haut schneidet.