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Klinisches Praktikum - Strahlung und Strahlentherapie

Fast zwei Jahre sind meine zwei Wochen Praktikum im Klinikum schon her, da taucht dieser fertige Artikel wieder auf. Da ich ihn nicht geschrieben hätte, wenn es nicht um spannende Themen gehen würde, will ich ihn euch nicht vorenthalten.

Nach den drei Blöcken in der Kardiologie folgten einige eher lose organisierte Einblicke in verschiedene Bereiche. Wir verbrachten einen Tag in den Röntgen-Bunkern, was recht interessant, aber wenig spektakulär war. Wir lernten, das im Krankenhaus unheimlich viel klassisch geröntgt wird, hier in Chemnitz vor allem Oberkörper und Beine. Es werden Schrittmacher-Sonden kontrolliert, es wird Wasser in der Lunge gesucht und es werden Schienen, Nägel und Schrauben geprüft. Vor allem aber lernten wir, dass es für die zuständigen Mitarbeiter Fließbandarbeit ist, und waren froh, dort raus zu kommen.

Zum Röntgen gehört auch die Computertomografie (CT), wo, genauso wie im Röntgen, die Mitarbeiter bloß ausführende Kraft sind, und auch dort geht es zu wie am Fließband. Nach zwei Patienten, deren Untersuchung wir beiwohnten, fiel das CT auch noch aus, so dass wir dort nicht viel lernten. Dafür gibt es ein Foto (unten). Ebenfalls in der Abteilung Röntgen durchgeführt werden Angiografien - die kannten wir schon vom Herzkatheterlabor.

photo of a CT device in a hospital

Den Mittwoch verbrachten wir in der Abteilung für Medizintechnik, also dort, wo wir später potenziell arbeiten können. Das war recht aufschlussreich, brachte aber wenig Inhalte mit sich, die ich hier präsentieren könnte. Daher weiter zum spannendsten Teil der zweiten Woche: Unser Besuch in der Strahlentherapie.

(Chronologisch richtig würde ich hier noch anführen, dass ich auf persönlichen Wunsch mit zu einer Fallbesprechung durfte, in der MRT-Untersuchungsergebnisse im größeren Ärztekreis diskutiert wurden, was zwar spannend anzusehen, aber zugegebenermaßen nicht besonders nützlich war. MRTs von anderen Dingen als dem Gehirn sind außerdem cool, aber eben nicht so spannend wie fMRT-Scans vom Gehirn.)

Der Herr von der Strahlentherapie hielt uns dann zunächst einen Vortrag, was uns schon erschaudern ließ, aber glücklicherweise verstand er es doch recht gut, seiner Begeisterung für sein Gebiet Ausdruck zu verleihen. Wir lernten viel am Beispiel der Behandlung von Prostatakrebs. Auf dem Gebiet ist das Klinikum Chemnitz führend - man arbeitet dort mit sogenannten Seed-Implantationen. Dabei wird ein kleines (1x5mm) Strahlenpräparat in die Prostata eingesetzt und dauerhaft dort belassen. Das führt zwar dazu, dass die Patienten 6 Monate lang niemandem für längere Zeit näher als einen Meter kommen sollten, dafür ist es aber ein extrem zuverlässiges Verfahren. Konkret wurden uns 431 Patienten genannt, die in den bisherigen zehn Jahren behandelt wurden, von denen 425 keinerlei neue Krebszellen gebildet haben und nur 6 rezidiv waren. Allerdings werden mit dieser Methode auch nur Patienten mit sowieso guten Prognosen behandelt, also solche ohne Metastasen und mit moderater Progression. Man sollte sich also nicht blenden lassen und darf durchaus die Stirn runzeln angesichts der Tatsache, dass man als so behandelter Patient seine Prostata nach dem Tod als radioaktiven Abfall entsorgen lassen muss.

Von der Strahlenbelastung für den Patienten ist das allerdings wohl die beste Methode, da direkt am Ziel behandelt wird. Weitere Maßnahmen wie eingeklebte Kissen zwischen Prostata und Darm verbessern die Situation noch weiter. Selbst Methoden wie Bestrahlung im Nahfeld (zeitweise wiederholte Einführung eines Strahlenpräparates über den Darm, oder z.B. bei Gebärmutterkrebs über die Vagina) sind längst nicht so schonend, ganz zu schweigen von der bekannteren perkutanen Bestrahlung (also der Bestrahlung von außen durch die Haut).

Letztere ließen wir uns dann noch live vorführen. Zugegebenermaßen bin ich schwer beeindruckt von der extrem hoch entwickelten Technik moderner Bestrahlungsmaschinen. Es war auch der Höhepunkt des immer wiederkehrenden Mantras "Lagerung ist alles": Die Patientin, die wir zu sehen bekamen, wurde bestimmt 15 Minuten lang aufwändig positioniert, Kopfhalterungen und Gesichtsmasken zum Strahlenschutz werden individuell angefertigt, natürlich ist der Lagerungstisch auf jede erdenkliche Art verstellbar und ich bin sicher, ich vergesse noch einige Aspekte. Die tatsächliche Bestrahlung dauerte dann kaum eine Minute.

Moderne Computerberechnungen steuern ihren Teil bei, jede Bestrahlung wird vorher simuliert, die Strahlenfelder können inzwischen recht fein modelliert werden (kein Tumor ist ein schnödes Rechteck oder ein Kreis). Mit Infrarotlicht wird während der Bestrahlung die Atmung analysiert und es wird immer dann bestrahlt, wenn bedingt durch die Atmung alle unbeteiligten Organe möglichst weit weg vom Zielort sind (deren Lage in bestimmten Atemphasen wird vorher durch CT bestimmt).

Beobachtet haben wir die Behandlung über Video hinter drei Meter dicken Betonwänden und einer 70cm dicken Bleiparaffintür, auch das durchaus beeindruckend. Auch einige Sidefacts konnten wir aufschnappen, so kostet ein Bestrahlungspräparat etwa 4000 Euro im Vierteljahr - danach ist die Strahlendosis durch Zerfall so gering, dass die Präparate ausgetauscht werden. Bis dahin muss die Bestrahlungsdauer entsprechend angepasst werden - Peanuts gegen die Berechnungen, die zur Konzentration der Strahlendosis auf das Zielgebiet dienen.

Den letzten Tag verwendeten wir auf die Auswertung des Praktikums. Mir persönlich hat es eine Menge spannende Einblicke gebracht - für das Studium und das spätere Berufsleben direkt relevant war nur der Tag bei den Technikern, aber auch die anderen Erfahrungen werden die meisten Menschen nie machen. Daher bin ich froh, das Praktikum hier in Chemnitz absolviert zu haben, wo die Kooperation mit der Uni doch recht gut läuft. Nicht im Sinne guter Organisation, wohl aber in dem Sinne, dass man uns an vielen Orten Zugang gewährt hat. Und außerdem finden wir uns jetzt in den Irrgängen des Klinikums etwas besser zurecht...



Allergien, anaphylaktische Schocks und Epi-Pens

Menschen neigen dazu, geschockt zu reagieren, wenn sie unwissend sind. Nachdem hoffentlich keiner meiner Leser zu Neujahr eine Hand verloren hat, hier ein paar Informationen zu einem weniger spektakulären, aber lebenswichtigen Thema: Wie funktionieren eigentlich diese ominösen Notfall-Sets für Allergiker?

Ich habe seit ungefähr immer schon eine Erdnussallergie. Eine schwere Erdnussallergie. Wenn jemand neben mir Erdnussflips isst, muss ich mich wegsetzen, weil es mir unangenehm ist. Wenn ich einen einzelnen Keks esse, der Spuren von Erdnüssen1 enthält, wird mir übel, und ein Löffel Erdnussbutter nimmt mir die Luft. Das fand meine Ärztin bedenklich und verpasste mir ein Notfallset, das mich retten soll, falls ich mal versehentlich eine zu große Menge Erdnüsse esse. Da:

allergienotfallset.jpg

Die beiden appetitlichen Flüssigkeiten sollen Schlimmeres verhindern, wenn sie rechtzeitig eingenommen werden. (Der vorgesehene Gebrauch ist der Konsum in Tropfen, im Notfall einfach auf Ex). Das dritte lustige Utensil ist das, was in Film und Fernsehen typischerweise Epi-Pen heißt und in unglaublich dramatischen Situationen auftritt. Es handelt sich dabei um eine idiotensicher anzuwendende Spritze, die Adrenalin enthält. Im Fall einer Atemnotreaktion kann Adrenalin verhindern, dass ich ersticke, bevor der Notarzt kommt, weil es Atem- und Blutgefäße weitet.

Das funktioniert dann auch tatsächlich wie im Film: Auspacken, Sicherungskappe abziehen und schwungvoll in den Oberschenkelmuskel stechen. Was man dann im Fernsehen nicht sieht, aber auch wichtig ist: Drauf drücken, mindestens zehn Sekunden, damit auch alles rausgeht. Dann Notarzt rufen und die Spritze nicht wegwerfen, sondern sicher verpacken und dem Arzt mitgeben.

Die Sache mit dem Oberschenkel hat dabei eine wichtige Bedeutung. Adrenalin darf nämlich nicht direkt in den Blutkreislauf gespritzt werden. Daher muss die Injektion unbedingt in den Oberschenkel erfolgen, wo die Chancen gut sind, dass man den Muskel trifft, von wo das Adrenalin dann zügig, aber nicht direkt aufgenommen wird. Auch wenn man weiß, wo das Herz liegt, also keineswegs ins Herz oder auch nur eine Arterie stechen! Ebenso natürlich nicht, wenn der Kandidat noch fröhlich bei Bewusstsein ist und sich klar verständigen kann... ihr führt ja hoffentlich auch keine Herzmassage bei vorhandenem Puls durch.

Falls euch Personen bekannt sind, die Lebensmittel- oder ähnliche Allergien haben (Allergien gegen Insektengifte z.B. sind recht verbreitet), sprecht sie ruhig darauf an, wie man sich im Notfall verhalten soll. Die richtige Anwendung von Notfallmaßnahmen bei Allergikern ist ebenso wichtig und wirksam wie die richtigen Maßnahmen bei Diabetikern oder Epileptikern.

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  1. Tatsächlich sind diese Hinweise auf Spuren von Erdnüssen in vielen Produkten nämlich sehr ernst zu nehmen, auch wenn oftmals keine Spuren von Erdnüssen enthalten sind.


Schlaf & Arbeit

Patientenzimmer wie im Text beschriebenSeit …



Chronisch uninformiert

Ich habe Asthma, und gelegentlich informiere ich Menschen, denen ich vertraue, darüber, was das bedeutet und wie sie mit mir im unwahrscheinlichen Fall eines asthmatischen Anfalls umgehen müssen. Oft ist das unangenehm. Und es ist nicht unangenehm, weil ich ein Problem damit habe, darüber zu sprechen (offensichtlich), sondern weil viele Menschen schockiert darauf reagieren. Die Vorstellung, ein Mensch aus ihrem Umfeld könnte eine Erkrankung haben, die zum Tod führen kann, ist für sie offensichtlich äußerst erschreckend.

Das ist meiner Meinung nach ein Problem. Denn natürlich ist die Vorstellung vom Tod einer gleichaltrigen (mehr oder weniger) nahestehenden Person erschreckend, das ist aber ja nicht das, was man sich dabei ausmalen muss. Asthma kann zum Ersticken führen und tut das auch gelegentlich, in Fällen wie meinem kann man dem Tod aber sehr leicht vorbeugen (Einnahme von Medikamenten im Fall einer allergischen Reaktion). Das Thema sollte also angesprochen werden und dann mit einer kurzen Information auch erledigt sein.

Wäre das so einfach, könnten wir wahrscheinlich auch über andere, ähnlich wichtige Themen leichter sprechen. Allergien zum Beispiel. Viele Menschen haben Nahrungsmittelallergien, teilen diese aber oft nicht mit ihren Mitmenschen (im Gegensatz zu Vegetariern, die aus Überzeugung auf bestimmte Produkte verzichten). Auch ohne Asthma können Lebensmittelallergien aber unangenehme bis gefährliche Reaktionen auslösen, man sollte also tunlichst vermeiden, betroffene Personen mit Allergenen zu konfrontieren. Aber wer denkt schon ohne von Allergien zu wissen jedes Mal über alle Gewürze in jeder Salatsoße nach?

Verschiedenste Erkrankungen können besonderes Verhalten erfordern. Deosprays, bestimmte Lebensmittel, Hautkontakt mit scheinbar harmlosen Stoffen, Alkohol, körperliche Anstrengung, Temperaturunterschiede - all das kann, obwohl für viele Menschen nicht einen Gedanken wert, ernste Probleme verursachen, die sehr leicht vermieden werden können. Zumindest über die Menschen, die wir häufiger treffen, sollten wir also Bescheid wissen. Auch Krankheiten wie Diabetes oder Epilepsie sind häufiger als man denkt und es ist leicht, als Außenstehender richtig damit umzugehen - wenn man informiert ist.

Also thematisiert Gesundheit und Krankheit in eurem Freundeskreis. Man muss nicht über 70 sein, um über Krankheiten zu sprechen, und man sollte auch nicht bis dahin warten. Geht offen damit um, wählt als Betroffene einen Weg zwischen Dramatik und Verharmlosung und seid als Freunde nicht schockiert, sondern dankbar für das Vertrauen. Es wird euch nicht weh tun.