Von wegen Generation Internet


Möglicherweise werde ich alt. Diejenigen, die tatsächlich schon alt sind, schreiben meiner Generation gerne zu, wir seien die Generation Internet, die erste Generation, die mit dem Internet groß geworden ist. Aber was heißt das schon? Ich bin meinen Eltern in Sachen Technik zwar um Längen voraus, aber mit dem Internet aufgewachsen bin ich nicht.

Als ich das erste Mal von meiner Wohnung aus ins Internet ging, war ich 14. Ein Freund war gerade auf DSL umgestiegen und lieh mir sein Modem aus. Ich lernte web.de kennen und ICQ. Meine Erlebnisse im Internet waren allerdings anfangs sehr beschränkt - auf eine Stunde pro Woche. Die Erlaubnis, die gemeinschaftlich genutzte Playstation zu nutzen, bewegte sich in einem ähnlichen Rahmen (Fernseher oder PC in meinem Zimmer gab es nicht).

Eine der ersten Erfahrungen, an die ich mich erinnern kann, war, dass ich den PC zerlegt habe, mir fein säuberlich handschriftliche Notizen machte welches Kabel wo eingesteckt war und ihn hinterher wieder zusammen baute, ohne ihn dabei zu zerstören. Das war die Folge etlicher Hardware-Bücher, die ich aus der Bücherei angeschleppt hatte... einige Jahre später baute ich mit diesem fundierten Wissen meinen ersten eigenen PC (klappte auch schon beim zweiten Versuch).

Überhaupt, von wegen mit Technik aufwachsen. Noch im September 2007 wurde ich von einer Zeitung zu einem Interview eingeladen, in dem diskutiert wurde, ob man unbedingt ein Handy haben müsste. Ich war dabei der Vertreter der Position, dass man auch ganz gut ohne auskommt. Bis das Interview stattfand, hatte ich dann zwar doch selbst eins, aber bis heute nicht geändert hat sich, dass ich damit nur telefonieren und SMS verschicken kann (theoretisch auch Musik hören und fotografieren, aber beides dermaßen schlecht, dass es kaum erwähnenswert ist).

Jetzt erzähl' das heute mal einer einem typischen 14 Jahre alten Kind. Das hat dann schon sein zweites Smartphone (Vertrag möglicherweise von den Eltern finanziert), seit vier Jahren DSL und einen eigenen PC oder ein Notebook und natürlich einen Fernseher im eigenen Zimmer stehen, ausgestattet mit diversem Multimediakrempel. Dieses Kind wird in Sekunden alles mögliche per Internet mit seinem Smartphone angestellt haben, bevor ich überhaupt heraus gefunden habe, wie man den Browser startet. Durch das Dauer-Onlinesein ist natürlich auch Facebook immer auf dem Laufenden, ob der Unterricht gerade langweilig ist.

Wenn ich heute erzählen würde, wie mein Leben in dem Alter aussah, würde man mich fragen, ob meine Eltern internetfeindlich, altmodisch oder besonders streng waren. Möglicherweise waren sie etwas überdurchschnittlich restriktiv, aber ich würde nicht sagen, dass mir das irgendwie geschadet hat. Mal ganz abgesehen davon, dass PC-Technik und Internet "damals" einfach noch wesentlich teurer waren als heute, die paar Stunden Modem-Internet kosteten teilweise soviel wie heute eine Monatsgebühr für eine DSL-Flatrate.

Jeder kann mit dem besonders gut umgehen, mit dem er aufgewachsen ist. Mit Smartphones kann ich mich bis heute nicht anfreunden, dafür weiß ich, wie man Windows 95 repariert, falls es nicht bootet, und ich kann mit Disketten umgehen (und MS-DOS davon starten). Da sind unsere Eltern doch gar nicht anders. Mein Vater wirft bei neuestem Hightech mit Abkürzungen um sich und findet alles geil, ohne zu wissen, was es ist, aber dafür kriegt er den Videorekorder wieder hin, wenn der mal wieder die Kassette gefressen hat, während die 14jährigen von heute sich fragen würden, wieso die DVD rechteckig und so dick wie zwei DVD-Hüllen ist. Und noch eine Generation älter sind die Leute froh, wenn sie telefonieren können und vielleicht noch ein Handy bedienen, aber dafür ist mein Großonkel mit über 70 in der Lage, Stromleitungen in seinem Haus selbst zu verlegen.

Sollen doch alle diskutieren und streiten über Sinn und Unsinn moderner Technik und darüber, ob es klug ist, Kindern sowas in die Hand zu drücken, gerade dann, wenn man selbst nicht damit umgehen kann. Aber das mit der Generation Internet ist Schwachsinn und nichts weiter als die Feststellung, dass Menschen dann mit etwas besonders gut umgehen können, wenn sie es immer schon benutzen als wäre es das normalste der Welt. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und Neues ist immer schwer zu begreifen und fremd, sei es Farbfernsehen, Digitalfotografie, Mobiltelefonie, Breitbandinternet oder mobiles Internet.