Nutella und Marmelade


..."Vorsicht bei der Einfahrt." Der Wind steht passend, der Straßenlärm ist noch nicht da, bei offenem Fenster kann ich die Bahnhofsansagen hören. Dabei wohne ich fast zehn Minuten zu Fuß vom Bahnhof entfernt - das ist nicht weit, aber weiter als bei meiner letzten Wohnung. Generell hört man hier ziemlich viel, dafür, dass das Haus locker vierzig Jahre jünger ist als das in Herne. Aber heute nicht, heute ist Sonntag und es ist acht Uhr morgens, da sind die Nachbarn ausnahmsweise mal noch nicht wach. Nur ich habe seit langem mal wieder die Nacht durchgemacht und gehe jetzt erstmal Brötchen holen.

Die Bäckerei hat allerdings geschlossen, dafür ist der SB-Backshop geöffnet. Die Brötchen sind gut, sie haben eine dünne knusprige Haut und sind ansonsten ganz weich. Ich gönne mir vier verschiedene Beläge und Orangensaft aus einer Flasche, aus der man nur reichlich eingießen kann. Wir sollen es uns gut gehen lassen, sagt sogar die Bibel. Die sagt allerdings auch, dass wir denen helfen sollen, die das alleine nicht schaffen. Ich habe keine Ahnung, wo hier in der Nähe jemand sich nicht leisten kann, ständig Nutella, Käse, Honig und zwei Sorten Marmelade vorrätig zu haben, vielleicht schon hier im selben Haus.

Ich weiß ja nichtmal, wie der Nachbar heißt, der mir schon dreimal angeboten hat, seine SAT-Schüssel mitzunutzen. Dabei habe ich gar keinen Fernseher. Ich weiß generell zu wenig von meinen Nachbarn und den anderen Menschen die hier wohnen. Das ist uns auch letztens im Kloster aufgefallen, als wir überlegt haben, wieso wir eigentlich so wenig mit unseren Menschen über Religion reden: Vor allem, weil wir generell so wenig mit unseren Mitmenschen reden. Wenn sie dann auch noch wie die Zeugen Jehovas direkt mit der Tür ins Haus fallen, sperren wir uns erst recht. Ist eigentlich jemals bei jemandem die evangelische Kirche aufgekreuzt, um das Evangelium zu verkünden?

Auch die großen Kirchen in unserem Land sind eben mit der Zeit gegangen und damit mit dem Trend zu weniger Kommunikation mit Fremden. Aber Deutschland ist auch schon länger kein christlicher Staat mehr, auch wenn die zurzeit stärkste Partei im Bundestag ein 'C' im Kürzel trägt. Ein Grund mehr, dass ich neugierig bin, wie das Leben in religiös geprägten Ländern aussieht. Unser Workshopleiter im Kloster hat eine Zeit lang in Israel gelebt... seinen Erzählungen nach kann man kaum begreifen, warum die Menschen dort so leben, wie sie leben, aber eine Reise wert ist es auf jeden Fall. Vielleicht schaffe ich es ja mal dort hin zu reisen. Der Flughafen ist ja auch nur wenige Minuten von hier entfernt.