CHVRCHES & Let's Eat Grandma @ Live Music Hall


Die zweite Station auf meiner "Konzerttour" führte mich von Berlin zunächst nach Aachen zu C. und einige Tage später dann nach Köln, um in der Live Music Hall CHVRCHES zu sehen. Seitdem ich sie kenne, haben die Schotten einen festen Platz in all meinen Playlists - mit ihren treibenden Rhythmen und strahlenden Synthesizern bedienen sie einfach perfekt meinen Musikgeschmack. Entsprechend konnte ich mir natürlich auch die Tour zum neuen Album "Love is Dead" nicht entgehen lassen und war entsprechend gespannt, denn diesmal sollten sie erstmals einen Live-Schlagzeuger dabei haben.

Zunächst einmal sollten allerdings Let's Eat Grandma (@thelegofgrandma) den Abend eröffnen. Dunkelheit, ein Spot auf das erstaunlich niedrige Drumset, eine Frau kommt auf die Bühne, richtet sich in aller Seelenruhe ihre In-Ears ein und spielt zunächst einen simplen Beat zu Playback. Dann mehr und mehr verschiedene Rhythmen - ein Schlagzeug-Solo als Intro. Kurze Verwirrung, doch schließlich kommen zwei weitere junge Frauen, möglicherweise noch Schülerinnen, auf die Bühne, und lassen die Synthesizer scheppern. Eine irritierende Komposition aus Drums, Synthesizern und regelrechtem Lärm - musikalisch interessant, aber definitiv kein typischer Opener.

Das weitere Konzert zeigt: Let's Eat Grandma, die normalerweise aus den beiden Synthesizer-Spielerinnen bestehen und live von einer Schlagzeugerin ergänzt werden, scheißen auf typisch. Alle ihre Songs sind beeindruckend vom Sound, aufreibend von der Stimmung und durchaus nicht unharmonisch - aber definitiv kein Pop. Dennoch muss sich jemand etwas dabei gedacht haben, das Trio vor CHVRCHES spielen zu lassen, denn der Synthi-Sound passt durchaus und auch in den Texten stecken verwandte Botschaften, nur eben, im Gegensatz zum oft sehr poppig klingenden Hauptact, absolut nicht überraschend.

Ebenfalls gemeinsam ist beiden Bands, dass sie das, was sie machen, sehr lieben. Die beiden großmütteressenden Damen haben einen riesigen Spaß an dem Krach, den ihre Synthesizer verursachen, werfen gelegentlich diabolisch grinsend ein paar Gitarren-Riffs ein, dann wieder verschwinden die Synthesizer im Hintergrund und eine der beiden präsentiert sich am Saxofon oder die andere an der Flöte. Sowieso wird ständig alles durcheinander gemischt - es erinnert mich ein bisschen an das französische DJ-Kollektiv C2C, die sich mit ihren DJ-Pulten über die Bühne bewegen und sich die Samples regelrecht gegenseitig zuwerfen.

Die verschiedenen Elemente ergeben eine regelrechte Show - mal laufen die Synthesizer im Automatikmodus, nur die Drums werden noch aktiv gespielt und die beiden Akteurinnen chillen sich auf die Bühne wie auf einer Couch, die Szenerie beobachtend, mal verschwinden sie aus dem Sichtfeld, indem sie sich einfach hinlegen, um in den Breaks ein bisschen Dramatik zu erzeugen, und dann wieder bildet ein aus der Grundschule bekanntes Klatschspiel das Intro zum nächsten Song. Eine absolut coole Performance - live allemal sehenswert, die Tauglichkeit zum Zuhause hören möchte noch untersucht werden.

Nach einem für eine Vorband überdurchschnittlich langen Auftritt folgt die obligatorische Umbaupause, und trotz der wenigen Instrumente auf der Bühne bleibt genug Zeit für ein Bier - und auch die Halle ist mittlerweile doch sehr voll, das Konzert ist ausverkauft. Dann erneut Dunkelheit, Synthesizer aus dem Off und kurz danach holen CHVRCHES direkt zu Anfang alle ab, neu dazugekommene und von der Vorband verstörte ebenso wie alle, die schon gut drauf sind - mit je einer gefeierten Single aus dem neuesten und dem vorherigen Album, "Get Out" und "Bury It".

Der neue Schlagzeuger ist dabei einfach da, hat aber hinter seinem Set einfach für sich seinen Spaß. Groß vorgestellt wird er nicht, obwohl das Thema Drums aufkommt: Lauren verleugnet mal wieder ihre vorhandenen Schlagzeug-Skills und amüsiert sich darüber, wie sie früher bei den Songs, die Martin singt, am Drumcomputer die Hi-Hat gespielt hat, was nun jemand dafür geeignetes übernehmen kann.

Überhaupt ist die Band im Vergleich zum MELT!-Festival, wo ich sie zuletzt sah, sehr redefreudig. So gibt es Geschichten über die Location, in der offenbar irritierend viele Penisse an die Wände gemalt wurden und sehr unrealistisch gezeichnete Brüste ("you can see it was not done by a woman") und die Bandmitglieder veralbern sich regelmäßig gegenseitig. An einem Punkt geht es auf eine Ballade zu und Lauren läuft über die Bühne, die Hände beschwichtigend zum Publikum bewegend, "saaaad, saaaad", gleichzeitig wohlwissend, dass die Leute in Tanzlaune sind: "Don't worry, we'll play a bunch more songs. They have sad content, but are dancable. Except this one. Well, you could, but it would be weird."

Bei dem großartigen Set sind wir allerdings sowieso froh, mal ein paar Minuten Ruhe zu bekommen. Besonders gefreut habe ich mich über "Science/Visions" und "We Sink", aber auch die neuen Songs fügen sich gut zwischen die alten. Sogar die beiden sonst überwiegend Synthesizer spielenden Herren in der Band kommen diesmal mehr aus sich heraus und wie immer kommen die zwei von Martin gesungenen Songs sehr gut an. Ähnlich wie letztes Jahr bei Claire gefällt mir auch das neue CHVRCHES-Album live deutlich besser als Zuhause, lebt es doch mehr als die vorherigen von den Texten und Botschaften, live kommen jedoch, trotz anfänglich leichter technischer Probleme, vor allem die Synthesizer viel besser.

Wie es sich gehört, bleibt "The Mother We Share" als die erste Single der Bandkarriere für die Zugabe, ergänzt um das ruhigere "Never Say Die". Erschöpft leiste ich danach noch meiner neuen Bekanntschaft aus der Umbaupause Gesellschaft an der Garderobe, bevor es zur Unterkunft geht. CHVRCHES haben wieder einmal mit großer Sympathie und fettem Sound überzeugt und einen sehr tanzbaren Abend abgeliefert - mit überraschender Unterstützung von Let's Eat Grandma, die definitiv auch noch eine Weile in Erinnerung bleiben werden und einen zweiten Besuch wert sind.