Wenn man mich fragt, was Kirchentag ausmacht, nenne ich immer zuerst die unbeschreiblich gute Stimmung unter den anwesenden Menschen, die einfach alle gut drauf und zu jedem nett sind. Da das etwas schwer fassbar ist, kommen danach dann: Ten Sing, Pfadfinder, Kirchentagsschals und Papphocker. Alle vier sind wesentlich für den Kirchentag, aber natürlich auf unterschiedliche Art und Weise.
Pfadfinder findet man vor allem als Helfer, zum Beispiel an den Stellen wo Kirchentagszeitungen verteilt werden oder als Verkäufer der Schals, die dafür sorgen, dass man jeden Besucher sofort als solchen erkennt. Es ist einfach genial, wenn man irgendwo mitten in der großen Veranstaltungsstadt ist und irgendwo Leute mit bunten Schals entdeckt. Außerdem wird damit das gut funktionierende Prinzip "im Zweifel folge der Masse" unterstützt.
Ten Sing sind wesentlich für meine persönliche Schwerpunktbildung auf den bisherigen Kirchentagen. Ich schrieb im einleitenden Artikel, man könne jeden Aspekt, dem ich einen eigenen Artikel widme, zum Schwerpunkt des eigenen Kirchentagsbesuches machen - bei diesem Artikel geht es darum, auf dem Kirchentag möglichst viel Spaß zu haben. Sehr einfach geht das, wenn man sich von einer der zahlreichen Ten Sing-Gruppen anstecken lässt - ich habe noch nie zuvor und nie wieder danach so begeisterte Jugendliche gesehen wie bei Ten Sing.
Aus den über Deutschland verstreuten Gruppen werden für jeden Kirchentag mehrere Streetteams zusammengestellt, die aus größeren Regionen die besten Leute sammeln, um ein spezielles Kirchentagsprogramm zu proben. Diese Streetteams ziehen dann über den Kirchentag und treten zum Beispiel in U-Bahn-Stationen oder auf der Messe auf (ich berichtete bereits letztes Jahr). Außerdem gibt es von jedem Streetteam1 ein eigenes Konzert und eine geniale Abschlussveranstaltung im Treffpunkt Ten Sing (in München war das das Backstage), bei der alle Streetteams auftreten. Das Programm dieses Jahr sah ungefähr so aus:
Ten Sing Sleeping in my car, Freak out, Von hier an blind, "nicht mehr / stillstehn / ich muss weitergehn", In the name of..., Ich komm an dir nicht weiter, Amazing Grace + ? + HP Puppet Pals Cover Ups. Da hab ich wohl den Artikel nicht ordentlich fertig geschrieben... egal, es gibt das Abschlusskonzert auf DVD, via Youtube bestellbar.
Ausdruckstanz (!!! ewig in ToDo jetzt auf ÖKT)
Ein Highlight, womit auch der Kirchentag selber wirbt, sind die großen Open-Air-Konzerte, von denen jeden Abend mindestens eins stattfindet. Dieses Jahr waren das natürlich wie immer die Wise Guys, außerdem Christina Stürmer und Nena. Außerdem waren z.B. Fools Garden und Eileen Q mit eigenen Konzerten da sowie als Vorbands u.a. Just Gospel, Class P. Jambor und Jasper. Sehr cool fand ich auch die BR3-Moderatorenband, die vor Christina Stürmer aufgetreten ist und etliche Dauerhits gespielt hat (z.B. Highway to Hell, Narcotic).
Alleine mit Konzerten kann man sich schon die ganzen fünf Tage verbreiten, zumindest dann, wenn man entweder das Programm gründlich durchsucht oder sich auch eher alternative Musikrichtungen wie schwedische Musik anhören möchte. Die Bandbreite ist da wirklich sehr groß, verschiedene Länder sind mit einheimischer Musik vertreten, Gospel ist da, Mitsingkonzerte werden angeboten und eben auch Popkonzerte wie oben beschrieben - und mit den verschiedenen Ten Sing- und anderen Gruppen meistens auch alle anderen Musikrichtungen. Rock, Metal, HipHop und Jumpstyle sind mir jedenfalls schon begegnet.
Abseits der Musik lohnt es sich, die Augen offen zu halten nach wandernden Aktionen. Im Zentrum Jugend (Olympiapark) war diesmal recht viel los. In der Arena gab es ein riesiges Angebot an klassischen (Brett-)Spielen und draußen waren immer wieder Gruppen unterwegs, die Theaterkurzstücke aufführten, um für Brot für die Welt zu werben. Ich habe verschiedene Aktionen mit Rollstühlen gesichtet (für Leute, die sonst nicht im Rollstuhl sitzen), darunter ein großer Parcours und eine Geisterbahn. Für Freunde alternativer Fortbewegungsmittel gab's einen Bockerl-WOrkshop.
Free Hugs waren diesmal weiter verbreitet, aber (so kam es mir jedenfalls vor) weniger beliebt. Free Hugs ist eine Aktion, deren Ursprung ich nicht kenne, die aber ein ganz simples Konzept hat: Bei Großveranstaltungen laufen (junge) Menschen mit Schildern durch die Gegend und bieten freie Umarmungen an - also tatsächlich eben Free Hugs, spontan und einfach so. Meiner Meinung nach eine coole Aktion. Möchte man also mal in den Arm genommen werden, sollte das kein Problem sein. Ein schönes Beispiel übrigens für die Offenheit der allermeisten Kirchentagsbesucher - es ist absolut kein Problem, wenn man alleine unterwegs ist, denn wenn man selbst offen auf die Menschen zugeht, wird man sehr schnell welche finden, mit denen man sich versteht und vielleicht die nächste Bahnfahrt, den Rest des Tages oder den gesamten Kirchentag verbringt. Handynummern austauschen dabei nicht vergessen - ich habe die Kürtener Ten Singer, die erst im Treff und später bei Christina Stürmer gerockt haben, am nächsten Tag leider doch nicht mehr getroffen.2
Anhand dieser Auswahl sollte klar werden, dass man auch zum Kirchentag fahren kann, wenn man fünf Tage Spaß haben möchte. Man kann sogar größtenteils ethischen, politischen und religiösen Themen aus dem Weg gehen - allerdings wird man merken, dass das nicht das Ziel des Kirchentag ist, und man sollte sich nicht wundern, wenn Nena während ihrem Konzert spontan verkündet dass sie es total super findet, dass Gott gerade da ist und dafür sorgt dass es ein geiles Konzert ist.
---