Watch your back, the Stapler is coming


Die englische Bezeichnung für Gabelstapler ist fork lift, aber der Mittdreißiger-Australier ohne Führerschein, der eigentlich auch ziemlich gut deutsch spricht, sagt immer nur Stapler. Er ist einer der Kollegen, die ich zu schätzen gelernt habe in dem halben Jahr, das ich als Stagehand, also ungelernter Helfer bei Bühnenarbeiten, gearbeitet habe. Zu diesen Kollegen gehört auch der Choleriker, der eigentlich echt umgänglich ist, außer wenn sich Kollegen dumm anstellen oder faul sind oder unsere Vorarbeiter mal wieder Arschlöcher sind.

Die Vorarbeiter der britischen Firma waren immer sehr nett. Kein Angeschnauztwerden wenn man nix zu tun hatte und daher dumm rumstand, ein Danke für jede Kleinigkeit genauso wie für die Gesamtarbeit des Tages. Cirque du Soleil war so eine angenehme Nummer - 44 Trucks, aber über 100 Helfer, sodass man es sich locker erlauben konnte, nach dem Aufbauen des Physio-Raums für die Artisten noch eine Massage zu genießen. Ähnlich entspannt stelle ich es mir vor, für Bands wie AC/DC zu arbeiten - die noch einen Truck mehr dabei haben auf ihrer Tour, den sie aber nie aufmachen, weil nur Ersatzteile drin sind.

Überhaupt sind so große Produktionen vor allem deshalb so spannend, weil man schon beim Ausladen staunen kann, wenn einer dieser großen LKW einfach mal nur Kisten mit Schuhen enthält und ein anderer nur Kisten mit eingebauter Garderobe mit Kostümen. Von so Dingen wie Särgen ganz zu schweigen - die Michael Jackson Immortal-Tour war wirklich sehenswert.

Während das Ausladen sehr davon abhängt, ob die Location genug Laderampen bietet oder ob wir ständig auf den Wechsel der Trucks warten müssen, läuft beim Aufbau in der Halle meistens alles streng durchorganisiert. So wird üblicherweise auf einer Seite der Halle eine rollbare Bühne aufgebaut, während auf der anderen Seite Traversen mit Ton- und Lichttechnik beladen werden. Motoren fahren die Traversen dann nach oben und die Bühne wird darunter geschoben. Dafür kann man bei so lächerlich überzogenen dreistöckigen Bühnenaufbauten wie bei Chris Brown schonmal 80 Leute brauchen.

Wenn man dann nicht mit entspannten Briten, sondern mit zugekoksten Belgiern zusammenarbeitet, kann das auch lebensgefährlich werden. Dabei ist es mal passiert, dass ein Wagen mit Stahlteilen oben auf der Rollbühne nicht gesichert wurde und filmmäßig ganz langsam, mit knarzenden Geräuschen und unter vielen erschrockenen Blicken, von der Bühne kippte und den darunter stehenden Kollegen veranlasste, schnell zur Seite zu springen, um nicht erschlagen zu werden. Sekunden später waren die massiven Stahlteile nur noch Schrott und die Scheiben nur noch Splitter.

Die großen Unterschiede zwischen den Aufträgen und die Abhängigkeit von der Firma, der man zuarbeitet, waren dann auch die Gründe für meine Kündigung. Ein weiteres Negativbeispiel war die Produktion, bei der die Trucks lausiger beladen waren als mein Umzugswagen - billige Pappkisten, Instrumente in Folie eingewickelt, alles lose in den Laderaum geworfen (oder während der Fahrt kräftig durchgerüttelt worden). Der Aufbau unheimlich schlecht organisiert, ewig lange Schichten, stundenlange Verspätungen der Vorarbeiter... da hat man schon am ersten Tag keine Lust mehr.

Für positive Erinnerungen sorgen hingegen die Überbleibsel, die sich noch in meinem Besitz befinden. Der geschnorrte Drumstick von Silbermond zum Beispiel. Während des Aufbaus wurden wir mit belegten Brötchen, Obst und Getränken versorgt und abends durften wir uns vor dem Abbau das Konzert ansehen. Als der Vorhang während dem ersten Song fiel, wussten wir, dass sich das Gefummel am Mittag gelohnt hatte.

Oder die vielen T-Shirts. Deichkind zum Beispiel sind absolut nicht mein Ding als Gast, aber der Job war extrem entspannt und ich hatte Gelegenheit, mit deren Kart über die Bühne und die Laderampe des LKW rauf zu fahren. Bei Lionel Richie standen wir während der Zugaben neben der Bühne und beobachteten, wie er Gangnam Style zu Richie Style umbastelte und jede Menge Mitt- und Endvierziger von ihren Stühlen aufsprangen und mithopsten. Und auch die AIDA Night of the Proms war nicht der schlechteste Job - viel harte Arbeit, aber entsprechend viel Geld am Ende des Tages. Erfahrungen, auf die ich nicht verzichten möchte - Wiederholungsbedarf besteht aber auch nicht unbedingt.