Rückblick auf Rock am Ring - 1. Teil


Größen wie Metallica, Die Toten Hosen und Linkin Park sorgten dafür, dass Rock am Ring schon im Januar ausverkauft war und auch Rock im Park folgte etwas später mit der Meldung: Keine Karten mehr zu haben. Doch neben den begeisterten Massen - jeder tausendste Deutsche fährt zu Rock am Ring - wurden auch die kritischen Stimmen wieder laut: Rock am Ring ist dem Kommerz verfallen, hat außer Headlinern nichts zu bieten.

Nach der Fahrt nach Koblenz, vom Ruhrgebiet aus der nächste Bahnhof, von dem Shuttlebusse fahren, hat uns jedenfalls erstmal die erste Enttäuschung getroffen: Der Shuttlebus war gerade weg, 30 bis 45 Minuten bis der nächste kommt, außerdem sind viele Zeltplätze schon voll. Der Shuttlebus ist nicht im Ticketpreis enthalten, sondern kostet acht Euro pro Strecke, und er fährt über eine Stunde. Als dann der nächste Bus kam und wir nicht mehr reinpassten, war klar, der angenehme Teil der Anreise ist in Koblenz zu Ende.

Irgendwann, als es schon lange dunkel war und wir unterwegs noch ein paar Leute aufgegabelt hatten, die sechs Kilometer vom Campingplatz entfernt parken mussten, kamen wir dann auch mal an. Mit Hilfe der anderen Camper auf unserem Wunschzeltplatz schafften wir es sogar, uns dort zu platzieren, wo Plan B es vorgesehen hatte. Alles außer Essen wurde auf den Freitag verschoben, es war inzwischen nach Mitternacht und wir mit den Nerven am Ende.

Freitag war dann erstmal alles entspannter. Wir holten unsere Bändchen, ließen uns von den Zeltnachbarn verarschen, weil zehn von uns zwölf Vegetarier sind, brachten den Gaskocher zum Laufen (sogar ohne Panzertape) und richteten uns erstmal ein. Mein Konzertplan für Freitag war sowieso entspannt, nur drei Bands, die ich ernsthaft sehen wollte. Aber eigentlich war der Konzertplan für das ganze Festival entspannt, denn von den drei großen Headlinern interessierte mich nur einer wirklich und auch sonst war das Line-Up im Vergleich zu Hurricane und Deichbrand für mich eher uninteressant, obwohl Rock am Ring fast so teuer ist wie die beiden anderen zusammen.

Meine erste Band spielte dann auch direkt auf der Center Stage, der sagenumwobenen, der mit dem neuen Einlasssystem und den drei Zonen, von denen die vorderen zwei beschränkt sind. Es war erst Nachmittag, aber die erste Zone war schon dicht, und während des Festivals würde sich das auch nicht ändern. Wer einmal drin war im vordersten Wellenbrecher, ging nicht mehr freiwillig raus. Ich begnügte mich also mit Zone B und genoss The Subways, die ein bisschen klein wirkten auf der riesigen Bühne, ihren Auftritt aber sichtlich genossen. Party ist bei denen sowieso immer - die Musik ist unglaublich mitreißend, die Band ist live einfach richtig gut und außerdem streuen sie ständig ins Deutsche übersetzte Strophen ihrer Songs ein, zum Beispiel bei "Rock&Roll Queen" und "We Don't Need Money To Have A Good Time".

Ganz im Festivalsinne blieb ich danach zu Cypress Hill, die mit Hiphop ungefähr gar keine Übereinstimmung mit meinem Musikgeschmack haben, aber wo ich eh mal da war, konnte ich auch mal über den Tellerrand schauen. Ganz klischeehaft war ungefähr jedes dritte Wort "fucking" und jeder zweite Satz Eigenlob, aber die Jungs verstehen es das Publikum anzuheizen und am Ende gab es Soli für den Percussionisten und den DJ, was echt cool war. Im Gegensatz zu den darauf folgenden Kasabian, von denen ich nur "Underdog" kannte und die eine lahme Enttäuschung waren. Der Sänger sah aus wie Liam Gallagher, war aber offensichtlich weniger auf Drogen.

Also Gelegenheit etwas eher abzuhauen und einen guten Platz an der Alterna Stage zu ergattern. Zone B war, als ich rauskam, inzwischen auch geschlossen, und überhaupt waren an der Center Stage unheimlich viele Menschen, die unheimlich wenig Spaß hatten. Ganz im Gegensatz zu denen bei Guano Apes, wo es kein Problem war, im zweiten Wellenbrecher nach ganz vorne zu kommen - nach den ersten Songs hörte ich irgendwo neben mir "hier sind wir richtig". Und als "Open Your Eyes" als vierter Song kam, erreichte die Stimmung den Höhepunkt und es gab bis zum Ende des Konzertes ständig Moshpits. So muss das!

Aufgrund einer Zeitplanänderung verpasste ich leider den Anfang von Fiva & Das Phantom Orchester, aber die Stadt gehört trotzdem denen, die da waren. Eins meiner persönlichen Highlights - das Konzert an der Clubstage war mit wenigen tausend Zuschauern vergleichsweise winzig, aber Fiva ist so süß wenn sie sich ständig bedankt weil alle, die da sind, sie einfach nur feiern, und das Publikum war so begeistert, dass schon nach zwei Dritteln des Konzertes Zugaben gefordert wurden, obwohl noch reguläre Spielzeit war. Wunderbar angenehmer, klischeefreier Hiphop beim Ring mit Fiva MC, dem DJ und dem Kontrabassisten.

Planlos was ich bis Evanescence tun sollte ließ ich von den anwesenden Mädels beraten, hörte mir Musik vom Handy an und blieb zu The Koletzkis. Die warteten nicht mit großer Show oder vielen Klängen auf, sondern mit minimalem, tanzbaren Elektro. Das aber in einer Qualität, die das Publikum auch durchweg zum Tanzen brachten. So blieb ich bis zum Schluss - verlasse nie ein gutes Konzert! - und bestaunte Evanescence von weiter hinten, wie sie stimmliche und instrumentale Leistungen brachten, die nur möglich sind, wenn man voll hinter seiner Sache steht. Ein Ohrgasmus quasi, und die Technik tat ihr übriges und ließ den Platz vor der Alterna in Licht förmlich explodieren.

Auf dem Weg zur Center, wo gerade Linkin Park auf die Bühne kamen, verweilte ich noch kurz erneut an der Club Stage, wo gerade Moonbotica auflegten, die mir von diversen Remixes ein Begriff waren. Auch dort großartige Stimmung und ich gewann zunehmend mehr den Eindruck, dass die kleinsten Konzerte hier die besten sind. An der Clubstage ist einfach alles nicht so Overkill wie an den beiden großen Bühnen.

Linkin Park allerdings waren auch nochmal ein Highlight. Leider sah ich quasi gar nichts von ganz weit hinten, da die Videoleinwände ständig ausfielen (was sich im Verlauf des Festivals auch nicht besserte), aber spätestens ab Bleed It Out, wo ich einen Ultrafan in der Menge entdeckte, war Party angesagt, und wen stört es schon, wenn um einen herum eher mäßiges Mitnicken als wildes Springen angesagt ist?!

Als Absacker gab's dann noch Marilyn Manson. Der war, wie man es erwartet - laut, grell, aggressiv und ein bisschen krank. Man kann nicht sagen, dass er nicht feiert, aber es strömten ständig Menschen weg. Auch schien die Technik schlecht zu sein, denn es gab ständig Rückkopplungen. Trotzdem waren Massen vor der Alterna und ich war froh, mit einigen anderen seitlich hinter dem Absperrzaun auf dem erstaunlich weichen Asphalt zu sitzen und das Konzert aus der Ferne zu beobachten, bis ich keine Lust mehr hatte.

Aber apropos Sound. Als ich Richtung Campingplatz lief, platzte mir fast der Schädel, als ich am Zelt der Independent Party Station vorbeikam. Unglaublich dröhnende Bässe und ein irrsinnig lauter Sound drangen heraus - alle drei Bühnen waren ein Witz dagegen. Überhaupt empfand ich den Sound bei Rock am Ring als sehr leise und auch immer wieder als schlecht abgemischt. Bei Cro am Sonntag gab es auch Hinweise darauf, wieso - die Techniker hatten ihre interne Kommunikation auf die PA geschaltet und so konnte jeder Anwesende mithören, dass sie total unter Zeitdruck stehen und nicht fertig wurden bis das Konzert anfing. Zeitplan vor Qualität also. An den Videos der übertragenden Sender habe ich nach dem Festival erstmal gemerkt, wieviel ich tatsächlich aufgrund der schlechten Mischung einfach nicht gehört habe.