Kirchentag diskutiert


Im letzten Beitrag zum Kirchentag hatte ich schon die vielen Podiumsdiskussionen und ähnliche Veranstaltungen angesprochen. Tatsächlich gibt es auf jedem Kirchentag ein breites Themenspektrum mit Diskussionspotenzial. Auf dem Messegelände der Veranstaltungsstadt und überall verteilt in Kirchen und anderen öffentlichen Gebäuden finden sich Politiker, Wissenschaftler, Forscher, Wirtschaftler und andere Meinungsvertreter zusammen, um die verschiedensten Themen zu diskutieren.

Ein großes Thema war die Verlässlichkeit der Kirche - die Missbrauchsskandale waren gerade brandaktuell und Margot Käßmann wurde mit Alkohol am Steuer erwischt. Ich hörte von einer öffentlichen Entschuldigung und von Stimmen, die sie ins Amt zurück fordern. Selber war ich aber eher im Bereich Technik & Umwelt unterwegs.

Eine interessante kleine Veranstaltung zum Thema Virtualität ist eine von denen, die ich mir vollständig angesehen habe. Es ging dort darum, was Virtualität überhaupt bedeutet und welche Konsequenzen das hat - Potenzial, z.B. wieder mal auf "Killerspielen" rumzuhacken, dem war aber gar nicht so. Beispiel für virtuelle Handlungen war unter anderen das ganz reale Militär - schließlich werden dort Drohnen eingesetzt, die irgendwo im Kriegsgebiet sind und von weit weg über einen PC gesteuert werden. Hier fehlt der direkte Kontakt zum Geschehen. Das war aber vor der Zeit der PCs nicht anders - Artillerieschützen sehen ihr Ziel auch nicht, auch hier waren und sind Außenposten erforderlich um Erfolg oder Nichterfolg zu vermelden.

Bei Mitmenschen gehen wir davon aus, dass sie wirklich empfinden, bei Computerfiguren nicht - ein wesentliches Merkmal von virtuellen Dingen, das nicht so weit als normal gelten darf, dass man es in den Alltag überträgt und reale Menschen wie virtuelle behandelt. Virtuelle Dinge sind reversibel - reale nicht immer.

Jeden Gedanken und jedes Thema hier auszuführen würde den Rahmen eines Blogbeitrags mit Sicherheit sprengen, daher an dieser Stelle mal ein Sprung und ein kurzer Anriss zu einer weiteren Veranstaltung zum Thema alternative Energieversorgungen - diesmal in einer Messehalle, sehr gut besucht, Vertreter waren u.a. ein Sprecher der RWE und ein energiepolitischer Sprecher des Bundestags.

Es drehte sich immer wieder um Solarenergie. Solarkraftwerke in der Wüste wurden diskutiert und im Endeffekt als übertrieben gewertet, da zu weit weg, zu aufwändig und schlicht nicht nötig, da wir hier über genug Solarenergie verfügen. Ein großes Problem ist wohl die Speicherung - klassische Kraftwerke laufen ständig und versorgen das Netz mit dem benötigten Strom. Solarkraftwerke können nachts nicht laufen und müssen daher die tagsüber gewonnene Energie speichern - das ist aber bisher nur in kleinen Maßstäben möglich. Eine sehr dezentrale Energieversorgung wäre eine Möglichkeit - das würde aber 1. bedeuten, dass die großen Konzerne nicht mehr so leicht ein Atomkraftwerk mit Lizenz zum Gelddrucken bauen können, 2. bedeuten, dass man in viel mehr Gegenden mal eben ein kleines Solarkraftwerk rumstehen hat, oder 3. bedeuten dass viel mehr Gebäude Solartechnik installieren müssen. Interessant beim Thema Solarkraft: Die Zuschüsse zum Bau von Solaranlagen wurden gekürzt, weil die Anlagen inzwischen einen ausreichend hohen Gewinn erzielen. Die taz berichtete im Mai außerdem, dass zwar die Fördermittel zur Vergütung von über Solartechnik eingespeistem Strom gekürzt werden, aber dennoch bereits so viele Anlagen installiert sind, dass die an einem sonnigen Sommertag erzeugbare Leistung (8000MW) mehr als 10% des Bundesbedarfs decken könnte.

Bei den Podien ist es, gerade bei den gut besuchten, recht schwierig selbst mitzudiskutieren. Bei kleineren Veranstaltungen geht das noch, da moderieren die Vortragenden teilweise selbst, aber zumindest in der Messe wird das Publikum immer durch sogenannte "Anwälte des Publikums" vertreten, das heißt, die Zuschauer können ihre Fragen und Gedanken auf Zetteln notieren und nach vorne geben, die "Anwälte" versuchen dann, möglichst viele Fragen an die diskutierenden Gäste zu stellen. Leider ist immer sehr wenig Zeit für eine solche Veranstaltung vorhanden, so dass oft weder die von selbst laufende Diskussionsrunde noch die Fragen des Publikums vollständig abgearbeitet werden können. Es wäre sicher auch möglich, durch Ausweitung der Zeiten solcher Veranstaltungen zwei Wochen Kirchentag anzubieten...

Gelegenheit sich selbst zu informieren, zu unterhalten und zu diskutieren gibt es oft an den einzelnen Messeständen. Ich bin auf dem Kirchentag zum Organspendeausweis gekommen, außerdem sind immer zahlreiche Vertreter ethischer und religiöser Gruppierungen und Verbände sowie sozialer Einrichtungen vertreten, die gerne über ihre Arbeit informieren und Fragen beantworten. Meine Behauptung, zu jedem Aspekt des Kirchentages sei genug vorhanden, sich alleine damit fünf Tage zu beschäftigen, mag gewagt sein - es stimmt aber definitiv, dass man sich alleine auf der Messe die ganze Zeit aufhalten kann.