Vegetarismus-Zwischenstand


DIe Zeit vergeht so schnell, inzwischen wird es lächerlich, die Monate zu zählen, die ich Vegetarier bin. Das hat etwas gezwungenes und passt eher zu Dingen, die Durchhaltevermögen fordern. Ich entziehe aber nicht Koks oder Zigaretten, sondern bloß Fleisch. Die harte Phase des Entzugs ist längst vorbei.

Auch die Anzahl der Erklärungen, die ich pro Monat abgeben muss, sinkt, weil inzwischen die meisten meiner Freunde, Bekannten und Verwandten Bescheid wissen und zumindest keine blöden Kommentare mehr abgeben. Toleranz ist da, aber auch noch Unverständnis für die Hintergründe. Ich habe zum Beispiel letztens nach einer Grillparty zwei übrig gebliebene Bratwürste gegessen. Als Vegetarier "dürfte" ich das eindeutig nicht - aber die Alternative wäre Wegwerfen gewesen, und was wäre es denn für eine schwachsinnige Selbstauflage, die dazu führt, Lebensmittel zu verschwenden? Aus dem gleichen Grund habe ich auch mal nach einem Festival am Abbautag eine Konservendose geöffnet, die unsere Nachbarn da gelassen hatten, obwohl das Gericht fleischhaltig war. Die Wurststücke schwammen obendrauf und ich habe sie dann entsorgt, aber besser als die ganze Dose dem Müll zu überlassen war das allemal.

Ich bin Vegetarier, weil ich glaube, dass ich damit die (westliche) Welt ein Stück besser machen kann, vor allem, indem ich andere dazu bringe, ebenfalls ihr Essverhalten zu überdenken. Und genau dieses Überdenken ist es, was wir alle tun sollten. Nicht jeder muss dazu komplett Vegetarier werden. Nur das Bewusstsein für alternative Ernährungsmethoden sollte wachsen.

Die häufigste Reaktion ist immer noch "das könnte ich nicht". Das ist die Einstellung, die ich meine. Kleine Kinder mögen keinen Spinat. Wer als Erwachsener immer noch so denkt, ist in seiner Ernährungsweise festgefahren und sollte sich mal vor Augen führen, welche Konsequenzen das hat. Es ist wie in vielen Bereichen unseres Lebens die Bequemlichkeit, die dafür sorgt, dass sich nichts ändert. Deshalb gibt es immer noch Tierhaltung, bei der die Tiere sich nicht bewegen können und mit Medikamenten vollgepumpt werden müssen, damit sie nicht ständig krank sind. Deshalb gibt es immer noch Schlachtereien, in denen Menschen unter schlechten Bedingungen für einen Hungerlohn arbeiten. Weil viele von uns zu intolerant, festgefahren oder einfach zu faul sind, über ihr Verhalten nachzudenken.

Viele, aber nicht alle. 8 Millionen Deutsche sind inzwischen Vegetarier. Das immer noch eine Minderheit, aber es führt dazu, dass ein großes Regal bei Kaufland in der Kühlabteilung gefüllt ist mit Produkten für Vegetarier. Manche davon sind teuer, andere wirken eklig, aber viele sind eine Bereicherung für den Speiseplan. Jetzt im Sommer gibt es dazu ein riesiges Angebot an Obst und Gemüse. Und gerade im Sommer, wo wir wegen der Wärme alle ungern kochen, haben die, die auch mal auf Fleisch verzichten können, einen großen Vorteil: Gemüse kann man wunderbar auch roh verzehren.

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Verschiedene Anmerkungen:

  1. Auf der Berufsschule hat mich mal ein Lehrer gefragt, was denn Vegetarismus sei. Er kannte den Begriff schlicht nicht.
  2. Außer den Bratwürstchen habe ich noch ein weiteres Mal gesündigt - bei einer Nachtschicht, es gab Pizza und ich griff im Dunkeln ein Stück und übersah den Thunfisch. Drama, Drama.
  3. Tofu kann man auch roh essen, da verstehe ich dann aber tatsächlich, dass Leute es eklig finden... wobei Tofu als Salatbeilage super ist und auf verschiedene Arten ausgesprochen lecker zubereitet werden kann.