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Vermeintliche Kindergeld-Abzocke ist keine

Zahlreiche Artikel verschiedenster Medien befassten sich mit einer Zahl, die das Bundesfinanzministerium veröffentlichte: Es gibt 268.336 Kindergeldempfänger, die nicht in Deutschland leben. Das ist an sich schon unvollständig. Korrekterweise müsste es heißen: Im Juni 2018 zahlte der Bund Kindergeld für 268.336 Kinder, die in der EU oder im europäischen Wirtschaftsraum leben, jedoch außerhalb von Deutschland.

Interessant daran sind offenbar zwei Dinge. Erstens ist diese Zahl größer als Ende 2017, wo sie bereits größer war als 2016. Zweitens hat offenbar der Duisburger Oberbürgermeister die Theorie aufgestellt, dass es Menschen mit krimineller Energie gäbe, die nach Deutschland kämen, um hier das Kindergeld für ihre im Ausland gebliebenen Kinder zu erhalten.

So eine Theorie klingt natürlich dramatisch. Dabei wird zunächst einmal unterschlagen, dass auch die Menschen, auf die der Duisburger Oberbürgermeister sich bezieht, ein gesetzliches Recht auf dieses Kindergeld haben, da sie in Deutschland arbeiten. Das ist logisch, denn sie müssen ja auch eine Wohnung bezahlen - ohne Wohnsitz und Arbeitsplatz in Deutschland gibt es das Kindergeld gar nicht. Diese Menschen zahlen also auch Sozialabgaben und Steuern in Deutschland. Sie sind also schonmal keine Schmarotzer.

Außerdem ist es keineswegs so, dass es eine große Masse von Menschen wäre, die Kindergeld für Kinder im Ausland erhalten. 2016 waren es 2,6% der Gesamtheit der Kindergeldempfänger.

Diskutieren kann man bei dem Thema möglicherweise über die Höhe des Kindergeldes: Steuern und Sozialabgaben richten sich nach der Höhe des Lohns, dadurch ist beides auf deutschem Niveau. Wonach sollte sich die Höhe des Kindergeldes richten, wenn die Kinder sich nicht in Deutschland befinden? Es ist nicht abzustreiten, dass die Lebenshaltungskosten für Kinder in manchen europäischen Ländern niedriger sind als in Deutschland. Wer jedoch auf dieser Basis eine Kürzung des Kindergeldes in manchen Fällen fordert, muss sich auch die Gegenfrage gefallen lassen, wieso dann trotzdem der volle Steuersatz gezahlt werden sollte - denn schließlich wird vom Bund gezahltes Kindergeld von denjenigen finanziert, die in Deutschland Steuern zahlen. Also auch von EU-Bürgern mit Kindern im EU-Ausland.

Quellen: Spiegel, Statistisches Bundesamt


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Fernbusreisen - schnell und bequem oder nur billig?

Die Gewerkschaft der Lokführer streikt wild und Zugreisen sind unzuverlässiger denn je. Ein guter Zeitpunkt, darüber nachzudenken, ob Fernbusse inzwischen das kleinere Übel sind.

FlixBus

Da wäre der vom Preis her billigste Anbieter FlixBus. Anfangs mit durchschnittlichem Streckennetz und immer wieder ausfallender Website, inzwischen mit anständigem Netz und funktionierender Website. Der Support ist freundlich und hilfreich (getestet auf Twitter). Fahrzeiten sind teilweise etwas kürzer bei der Konkurrenz, da anscheinend Fahrer besser geplant werden, um vorgeschriebene Pausen nicht auf Kosten der Fahrgäste durchzuführen. Es kommt allerdings auch öfter zu Verspätungen durch Staus und Berufsverkehr. Mit den Fahrzeugen hatte ich bisher nur gute Erfahrungen.

BerlinLinienBus

Ebenfalls sehr günstig und am Längsten etabliert ist BerlinLinienBus, die allerdings immer noch vor allem um Berlin herum aktiv sind. BerlinLinienBus fährt am meisten kleine Orte und Orte im Ausland an. Die Busse sind teilweise so leer, dass ich keine Ahnung habe, wo die Wirtschaftlichkeit bleibt. Möglicherweise liegt es an der Ausstattung - als einziger Anbieter habe ich hier mal einen wirklich alten Linienbus statt eines modernen Reisebusses vorgesetzt bekommen.

MeinFernBus

Auch aus Berlin, aber mit dem in Deutschland dichtesten Streckennetz ausgestattet ist MeinFernBus. Auch hier gibt es längst nicht Verbindungen von überall nach überall, aber die Versorgung großer Städte ist hier am Besten und es gibt tagsüber oft mehrere Verbindungen und auch einzelne Nachtbusse, zudem bietet die Website Verbindungen mit Umsteigen an. Support auf Twitter ist trotz Account nicht vorhanden. Die Fahrer bei MeinFernBus setzen teilweise rigoros Gepäckauflagen durch, mein kleiner Fotorucksack musste daher schonmal in den Gepäckbereich. Preislich liegt MeinFernBus prinzipiell im Mittelfeld, durch die große Beliebtheit sind die günstigen Preise aber oft schon sehr früh ausgebucht. Während FlixBus dies auf Nachfrage mitteilt, ist es bei MFB nicht möglich, herauszufinden, ab wann bestimmte Verbindungen gebucht werden können und es gibt auch kein einheitliches Konzept dafür (manche Verbindungen jetzt im Oktober bis Januar, manche nur bis Ende November).

DeinBus

DeinBus hat vieles ins Rollen gebracht, als sie von der Bahn für ihr Bus-Mitfahrgelegenheitssystem verklagt wurden, den Prozess aber gewannen. Das Netz ist seitdem aber dürftig geblieben, bei mir im Osten gibt es gar nichts. Dafür bieten sie aber als einziger Anbieter einen einheitlichen Online-Sparpreis von 9€ auf alle Strecken. Auf Fragen per Twitter kommt immer eine Reaktion, Praxiserfahrungen konnte ich leider bisher keine sammeln.

City2City

City2City hat inzwischen das Geschäft aufgegeben, trotzdem möchte ich meine Erfahrungen kurz aufschreiben. Meine einzige Fahrtbuchung gestaltete sich leider recht kompliziert, da das Bezahlsystem versagte, so dass Telefonsupport in gebrochenem Deutsch nötig war. Grund war das System für die Sitzplatzreservierung (das übrigens ein Alleinstellungsmerkmal war). Der Fahrer begrüßte mich dann mit Namen und ich wurde pünktlich und komfortabel von A nach B transportiert, allerdings mit sehr wenig anderen Fahrgästen, daher wohl auch der wirtschaftliche Untergang. Schade. Wie bei BerlinLinienBus gab es hier Schüler- und Studentenrabatt.

ADAC Postbus

Ebenfalls kränkelnd ist der ADAC Postbus. Bei den gelben Bussen ist meine Meinung gespalten - nein, falsch, meine Meinung über die gelben Busse ist eigentlich eindeutig. Ich bin noch nie so bequem Bus gefahren wie mit dem ADAC Postbus. Wesentlich größere Beinfreiheit als bei allen anderen Anbietern, als einziger Anbieter Busse mit Dreipunktgurten und ansonsten komfortabel wie die Konkurrenten. Es sind stets zwei Mitarbeiter an Bord, damit Gepäck, Fahrkarten und Snack/Getränkeversorgung schnell abgewickelt werden können. Hier habe ich als einziges die Fahrradmitnahme getestet, da dies durch eine Aktion kostenlos war. Das Fahrrad wurde im Gepäckraum stehend verstaut - fühlt sich wesentlich sicherer an als der Gepäckträger hinten dran. Leider sind die Preise hier mit Abstand am Höchsten, was durch den Mehrkomfort noch vertretbar wäre, aber auch die Fahrpläne sind deutlich komplizierter als bei der Konkurrenz. Allzu oft gibt es bei der Suche nach Verbindungen keinen Treffer und es ist nicht erkennbar, ob auf der jeweiligen Strecke einfach keine Busse fahren oder nur an dem Datum, denn der ADAC Postbus bietet aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht an jedem Tag jede Verbindung an. In Kombination führt das dazu, dass ich meistens gar nicht erst nachschaue, ob der Postbus eine Alternative zu den anderen Anbietern ist.

Fazit

Schafft man es, auf der gewünschten Verbindung einen günstigen Bus zu buchen, wird man in der Regel pünktlich, komfortabel und sicher transportiert. Grobe Zwischenfälle gab es keine, vorteilhaft ist die Unterbringung des Gepäcks im verschlossenen Gepäckraum - das empfinde ich als sicherer als die Ablage meines Rucksacks im Gepäckständer am anderen Ende des Großraumwagens im Intercity-Zug. Beim Sitzkomfort kann der ADAC Postbus punkten, BerlinLinienBus schwankt hier stark.

Mit Verspätungen zu Stoßzeiten ist zu rechnen, Verbindungen zu diesen Zeiten werden von manchen Anbietern mehr, von manchen weniger angeboten. Ein großes alle Anbieter betreffendes Problem ist das unklare System der Ticketverfügbarkeit. Hat man den besten Zeitpunkt verpasst und andere Fahrgäste haben sich die günstigeren Tickets geschnappt, ist der Preisvorteil gegenüber dem Zug schnell weg, die oft höhere Fahrzeit bleibt aber natürlich bestehen. Durch Kontrollen wird diese noch wesentlich verlängert (von vielleicht 20 Fahrten wurde mein Bus bisher einmal kontrolliert). Ein Allheilmittel sind Fernbusse also keineswegs - aber das überrascht jetzt vermutlich die Wenigsten.