Alle Artikel zu #gedanken


Erfahrung schafft Vorstellung

Ich hatte gerade eine interessante Erkenntnis: Während man auf Social Media den Eindruck gewinnt, alle würden überall auf die absurdesten Weisen gendern, sieht die Sachlage offenbar ganz anders aus. Der BGH hat 2018 noch geurteilt, nichtmal Einzelpersonen müssen mit dem korrekten Geschlecht angesprochen werden, geklagt hatte eine Kundin, die nicht "der Empfänger" des Kontoauszugs sein wollte. Und ausgerechnet Die Linke hat 2019 beschlossen, dass sie "Leserinnen und Leser" schreiben statt Leser*innen. Begründung: Kann ja kein Mensch und keine Maschine lesen sonst. Das Argument der Maschinenlesbarkeit ist übrigens hochspannend, betrifft es doch z.B. Blinde, die sich von ihrem Computer Texte vorlesen lassen - was schon mit dem Rest der deutschen Sprache schwierig genug ist.

Nun finde ich die Unfähigkeit der Sparkasse, anhand des eindeutig bekannten Geschlechts einer Kundin einen sowieso existenten Begriff korrekt auszuwählen, zunächst einmal bedauerlich. Es gibt viele Stellen, an denen man ganz simpel Alltagsdiskriminierung reduzieren kann: In Formularen kann man auch "divers" als Geschlecht anbieten. Das Geschlecht sollte auf Webseiten nicht vorausgewählt sein. Zwei Zeilen Code im Skript machen aus einem sperrigen "Sehr geehrte*r Herr/Frau Bankkund:in" eine passende Formulierung. Es gibt sogar Fälle, in denen es neben dem zusätzlichen Aufwand auch Fortschritte bringt: In Studien könnte man ruhig öfter hinterfragen, ob das Geschlecht überhaupt erfasst werden muss, und falls ja, ob das biologische oder das soziale. Geht es also um Einzelpersonen, scheinen mir die Vorteile sofort den Aufwand zu überwiegen, und in der Tat haben sich die genannten Beispiele weitläufig durchgesetzt. Naja, außer bei der Sparkasse offenbar, zumindest 2018 noch.

Geht es um mehrere, noch dazu unbekannte Personen, ist die Lage wesentlich weniger klar. Was wäre hier die Wunschvorstellung? Ein viel angesprochener Aspekt, der mir auch wichtig ist, ist die Frage nach der mentalen Vorstellung beim Lesen / Hören eines geschlechtsbezogenen Begriffs, oftmals eines Berufs. Woran denkt man beim generischen Maskulinum? Sind "Lehrer" Männer oder Frauen? Ärzte? Kassierer? Verkäufer? Erzieher? Busfahrer? Wie schwierig das Thema ist, fällt mir schon beim Schreiben wieder auf, weil ich gar nicht alle diese Begriffe gleich häufig im Alltag verwendet sehe. "Kassiererinnen" z.B. ist ein viel häufiger gehörter Plural in meinem Umfeld. Wissenschaftlich unumstritten und auch mir persönlich sofort klar ist: Zu vielen Berufsgruppen gehört eine klare Vorstellung, ob das eher Frauen oder eher Männer sind, und von diesen haben viele Menschen auch ein Bild im Kopf. Dieses Bild im Kopf vielfältig zu bekommen - das wäre das Ziel.

Nun scheint da eine verbreitete Haltung zu sein, dass Sprache Realität schafft: Tauchen Begriffe auf, die beide (oder alle) Geschlechter einbeziehen, denken die Personen, die diese Begriffe lesen oder hören, auch eher daran. Nachdem einer meiner Professoren recht konsequent stets "Arbeiter innen" mit gesprochener Pause sagte, stellte ich bei mir selbst fest, dass das mein Bild im Kopf absolut nicht verändert. Aber ich bin nur eine einzelne Person und man sollte meinen, das könnte man gut wissenschaftlich untersuchen - bedauerlicherweise bietet das Seminar zum Thema an meiner Uni genau ein Paper zur Bearbeitung an, das sich nur mit der Variante "Lehrerinnen und Lehrer" beschäftigt, und das findet da nur einen kleinen Effekt in einem sehr spezifischen Fall, den es dann sehr groß diskutiert. Ich war frustriert, dass selbst in der Wissenschaft sachliche Diskussion offenbar schwer ist, und stellte die Recherche vorerst ein.

Das mit der Sprache ist aber in der Tat ein Problem. Das Englische hat die ganze Problematik schlicht nicht: Es gibt keine geschlechterspezifischen Artikel usw. und nahezu alle Begriffe sind generisch. Im Deutschen hingegen kann man stets durch Endung eine weibliche Form bilden und "die Arzt" ist schlicht sprachlich falsch. Ich wäre ein Fan eines neutralen Artikels - aber durch das Vorhandensein der weiblichen Formen würde das auch absurd wirken.

Also zurück zur Wunschvorstellung. Ohne Berücksichtigung des dritten Geschlechts könnte man einfach bei "Busfahrerinnen und Busfahrer" bleiben - das ist etwas lang, aber eindeutig, gut lesbar, jeder weiß was gemeint ist und Computer können es vorlesen, und man hätte sofort das entsprechende Bild im Kopf. Außerdem könnte man sich anpassen, wenn die Gruppe bekannt ist: Wäre es weit verbreitet, immer alle Geschlechter anzusprechen, könnte ich ja als Vorteil dann wiederum explizit solche Dinge sagen wie "bei VW arbeiten nur Ingenieure" und es würde vielleicht nicht so aufgefasst, dass dort jeder einen akademischen Abschluss hat, sondern so, dass dort nur Männer arbeiten. Es soll aber jedes Geschlecht angesprochen werden - und während es mir logisch erscheint, dass eine Person, die sich weder als Frau, noch als Mann identifiziert, sich weder von dem weiblichen noch von dem männlichen Begriff angesprochen fühlen wird, habe ich keine Ahnung, was mein mentales Bild davon dann sein soll.

Und damit zu einem weiteren Problem und einer Frage, die ich mir stelle. Wäre es nicht besser, wir würden diese mentalen Bilder mit gemischten Personengruppen unabhängig von der Sprache entwickeln? Ist das Problem nicht viel weitreichender als nur bis zur Sprache? Woran habt ihr beim Lesen bei den Ärzten gedacht? Männer? Männer und Frauen? Europäische, weiße Männer und Frauen? Es gibt noch ein weiteres Konzept, das ich in dem ganzen Kontext des Genderns noch nie gesehen habe: Erfahrung schafft Vorstellung (Begriff von mir).

Ein großer Teil der Personengruppen, zu denen wir eindeutige Geschlechter im Kopf haben, ist tatsächlich so verteilt, dass dieses Geschlecht dort die Mehrheit bildet. Es gibt auch Gruppen, bei denen man andere Merkmale als das Geschlecht sofort im Kopf hat - beispielsweise Studenten. Oder mehr Merkmale: Wer hat bei Basketballern, Sprintern... zuerst einen Weißen im Kopf? Das größere Problem bei dem ganzen Thema der Repräsentation ist nicht die Sprache, sondern Diskriminierung. Es gibt immer noch große Missstände bei der Repräsentation verschiedener Geschlechter in verschiedenen Berufsgruppen. Um das zur Wunschvorstellung hinzuzufügen: Es sollte allen Frauen und Männern möglich sein, den Beruf zu ergreifen, den sie ergreifen möchten. Ich würde erwarten, dass bei den Berufen, die dann ausgeglichen sind, die Vorstellung auch unabhängig von der Sprache ausgeglichen wird.

Es wird jedoch Berufsgruppen geben, die nie ausgeglichen besetzt werden, weil hierfür nicht das Interesse besteht. Es ist meistens eine schlechte Idee, Gleichverteilung zu erzwingen. Das eigentliche Ziel ist Chancengleichheit. In diesen Fällen ist es hilfreich, sprachlich darstellen zu können, dass Frauen und Männer gleichermaßen gemeint sind, um sich daran zu erinnern, dass es ja auch eine Frau gewesen sein könnte, die Schlagzeug gespielt hat - auch wenn das selten vorkommt. Die Diskussion um und das Arbeiten an der Sprache ist also sicherlich nicht unnütz. Ich habe nur das Gefühl, dass andere Themen eigentlich die höhere Priorität bekommen sollten. Außerdem sehe ich viel Aktionismus und wenig Sachlichkeit. Ein paar Dokumente kann man schnell vom Praktikanten überarbeiten lassen, das gibt eine schöne Pressemitteilung, aber besser wäre doch, man wird sich einig darüber, wie wir geschlechtergemischte Gruppen bezeichnen. Sonst erreichen wir nie Einigkeit in der Bevölkerung und Sprache ist zwar flexibel, aber träge. Ohne breite Einigkeit wird sich aber keine Form des Genderns durchsetzen - und damit verändern wir auch keine Bilder in den Köpfen, sondern verschwenden nur sehr viel Zeit. Der Duden bemerkte schon 1998, dass das generische Maskulinum nicht mehr zeitgemäß ist, und selbst die Anerkennung des dritten Geschlechts per Gesetz ist inzwischen über zwei Jahre her. Und schließlich lassen sich einige Probleme durch Sprache einfach nicht lösen.

--

Du möchtest etwas zu diesem Artikel sagen? Schreib mir auf Twitter @Konzertheld oder einfach eine Mail an blog [at] konzertheld.de! Oder klick auf den Titel des Artikels, um die volle Ansicht zu laden und einen Kommentar zu schreiben.



Ein paar Gedanken zu Silvester / Feuerwerk

Der Jahreswechsel ist durch und während die Silvesterparty, an der ich selbst teilnahm, ausgesprochen ruhig und sehr schön war, ärgere ich mich über andere und die Situation generell. Nachdem vor einigen Jahren mal Post von mir in Flammen aufgegangen war, weil sie zufällig im falschen Briefkasten lag, nämlich dem einzigen, in den man einen Böller schmeißen konnte, habe ich dieses Jahr erneut kaputte Briefkästen am Haus vorgefunden, als ich morgens nach Hause kam. Damit nicht genug: In der Fassade unseres Hauseingangsbereichs klafft ein Loch am Lichtschalter und an einer der Fensterbänke meiner Erdgeschoss-Wohnung ist ein Stück abgeplatzt. Da die Fassade auf der anderen Seite meine Küchenwand ist und die Isolierung offenliegt, habe ich erstmal ein Brett davorgeschraubt, die Nachbarn berichteten mir, die Polizei sei noch in der Nacht da gewesen. Nicht, dass irgendwer damit rechnen würde, dass irgendwas passiert.

Die Chemnitzer Feuerwehr nennt 46 Brände "verhältnismäßig ruhig", ich habe etwas von über 50 Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung gelesen. Illegale Böller aus dem Ausland, die den ganzen Himmel aufleuchten lassen, Löcher in Autos und Hauswände reißen und Menschen ertauben lassen, sind hier nichts Ungewöhnliches. Man muss nicht selbst in Kriegsgebiet gewesen sein, um sich zu fragen, ob die Menschen eigentlich den Verstand verloren haben. Was rechtfertigt, um die Jahreswende herum jedem Idioten Sprengstoff in die Hand zu geben?

Der Shopblogger berichtet von Feuerwerk, das selbst bei ordnungsgemäßem Gebrauch Sach- und Personenschäden verursachen kann (und tatsächlich verursacht). Nun addiere man mal den Alkoholkonsum der Durchschnittsbevölkerung und / oder das fehlende Gehirn z.B. einiger Leipziger dazu und stelle sich vor, wie das endet. Ich hatte selbst schon Kontakt zu Menschen, die es witzig fanden, mit Silvesterraketen auf Menschen zu zielen, offenbar fehlt auch denen mit Schulabschluss das Verständnis dafür, dass Feuerwerk kein Spielzeug ist.

Dazu kommt, dass ich sicherlich noch einige Wochen lang die Resteböller zu hören bekommen werde. Von Umwelt- und Gesundheitsbelastung durch Feinstaub fange ich gar nicht erst an, der Smog nach Mitternacht ist jedes Jahr auf's Neue gruselig beeindruckend.

Ich würde mir wünschen, dass die gesamte Silvesterböllerei abgeschafft wird. Keinerlei Feuerwerksverkauf mehr an die Bevölkerung. Es gibt nicht ohne Grund geschulte Fachleute, die großes Feuerwerk abbrennen dürfen. Nicht ohne Grund richten inzwischen einige Städte kontrollierte Sicherheitszonen ein, in denen kein Feuerwerk gezündet werden darf, die Stadt Hannover z.B. diesmal zum zweiten Mal. Dort kam es zuvor "zu gefährlichen und bedrohlichen Situationen[...], bei denen auch Personen verletzt wurden". "Häufig wurde Feuerwerk auch bewusst auf Personen gerichtet", schreibt die Stadt Hannover. Offensichtlich kann man nicht auf den Verstand zählen.

Große, professionell organisierte Feuerwerke sind zu verschiedenen Veranstaltungen üblich und können auch zum Jahreswechsel eine Alternative sein. Wir haben auch unsere Party für eine Weile verlassen, um an einem dunklen Ort das Feuerwerk über der Skyline zu beobachten. Ein großes, zentrales Feuerwerk, organisiert durch die Stadt, oder meinetwegen auch mehrere z.B. von Stadtteilverbänden organisierte hätten es genauso getan. Genug Geld ist ja offenbar da, wenn ich mal über den Daumen peile, was meine Nachbarn so ausgegeben haben.

--

Du möchtest etwas zu diesem Artikel sagen? Schreib mir auf Twitter @Konzertheld oder einfach eine Mail an blog [at] konzertheld.de! Oder klick auf den Titel des Artikels, um die volle Ansicht zu laden und einen Kommentar zu schreiben.



Einige Fragen zum Lebensstandard

Kürzlich war ich mal wieder auf Reisen und mehr oder weniger zufällig hatte ich eine Reihe meiner Lieblings-T-Shirts mit. Als ich feststellte, dass einige davon inzwischen ziemlich mitgenommen sind, kam mir der Gedanke: Du bräuchtest mal ein paar mehr T-Shirts, damit du die hier nicht so abnutzt.

Halt stopp! Wie sind denn solche Gedanken in meinen Kopf gekommen? Konsum zur Anhäufung von Besitz? Solches Verhalten habe ich doch eigentlich seit Jahren nicht mehr.

Das Beispiel mag nicht das Beste sein, allerdings hat mein Lebensstil in den vergangenen Monaten in der Tat einen leichten Wandel vollzogen. Ich arbeitete von Oktober bis Juni Vollzeit in einer Festanstellung und lebte aber gleichzeitig noch in meiner Studentenwohnung, hatte noch immer kein Auto und auch ansonsten waren meine Ausgaben nach wie vor niedrig. Entsprechend hatte mein dramatisch gestiegenes Einkommen einen gewissen Wohlstand ermöglicht. Damit wurde auch eine Frage, die ich mir seit langem stelle, sehr konkret: Wie vermeidet man es, seinen Lebensstandard so hochzuschrauben, dass man irgendwann trotz überdurchschnittlichem Einkommen gerade so über die Runden kommt - und damit zwangsläufig bei auch nur temporärer Arbeitslosigkeit oder spätestens mit der Rente in ein tiefes Loch fällt?

Der richtige Anfang

Es ist definitiv nicht so, dass ich mir von meinem Geld nichts geleistet hätte: Ein Synthesizer ziert seit einiger Zeit mein Wohnzimmer und mein Garten ist technologisch deutlich aufgerüstet worden. Meine Lebensmittelausgaben sind um ein Drittel gestiegen, weil ich manche Dinge nicht mehr nur im Angebot kaufe und konsequent Bio- und andere hochwertige Produkte kaufe. Einige lang aufgeschobene Wünsche wurden erfüllt. Das ist wichtig, denn gerade nach Jahren studentischer Geldnot will niemand etwas von sparen und schlechten Zeiten hören. Mein Einkommen betrug deutlich mehr als das doppelte meines monatlichen Bedarfs, ich hatte keine Angst vor schlechten Zeiten.

Was ich jedoch vermieden habe, waren Ausgaben, die langfristig Kosten verursachen: Ich kaufte kein Auto und auch sonst nichts, was eine längere (oder irgendeine) Ratenzahlung erfordert. Ich zog nicht in eine größere Wohnung und, um mal ein kleineres Beispiel zu nennen, schloss auch keinen Handyvertrag ab und kaufte keine Spülmaschine - die immerhin die Stromrechnung erhöhen würde. Und warum auch? Mein Leben erforderte all diese Dinge nicht und ich war nicht unzufrieden.

Geld für die richtigen Dinge ausgeben

Wenn man nicht (mehr) jeden Cent umdrehen muss, gibt es eine ganze Reihe von Dingen, in die man investieren kann: * Erfüllung dringenden Bedarfs (z.B. ausreichend Lebensmittel) * Austausch beschädigter Dinge * Austausch unbeschädigter Dinge * Wunscherfüllungen (siehe oben) * verschiedenste andere Neuanschaffungen * Wohnraum * Zeit

Der Zeit widme ich einen eigenen Absatz. Die meisten anderen Dinge dürften leicht verständlich sein: Wer wochenlang von Nudeln mit Ketchup leben musste, wird sich erstmal ein paar anständige Lebensmittel gönnen. Beschädigte Dinge können alles möglich sein - kaputte Schuhe, nicht mehr funktionierende Elektrogeräte, beschädigte Möbel. All diese Dinge können auch einfach aufgrund von Abnutzung oder Alter (trotz gegebener Funktion) ausgetauscht werden oder einfach, weil man sie leid geworden ist. Und letztlich wird es immer etwas geben, was man noch nicht hat - daher der lapidare Punkt "Neuanschaffungen".

Die richtigen Fragen stellen

Zwei Arten von Ausgaben bergen das Risiko von Verschwendung: Impulskäufe (wie meine T-Shirts aus der Einleitung) und überlegte, aber unhinterfragte Käufe. Letztere treten in vielen der oben aufgeführten Kategorien auf. Viele beschädigte Dinge lassen sich beispielsweise reparieren und verursachen dabei wesentlich geringere Kosten, obendrein spart man Ressourcen. Mich erschreckt immer wieder, wie oft Möbel weggeworfen werden. Viele Möbel lassen sich leicht reparieren, wenn sie beschädigt wurden. Braucht man sie nicht mehr, sollte verkaufen oder verschenken bevorzugt werden. Und liegt es an der Optik, sollte man sich einmal ehrlich fragen: Ist es so wichtig, dass jeder Raum meiner Wohnung perfekt optisch abgestimmt ist? Wie lange halte ich mich wirklich darin auf und wieso bedeutet es mir so viel, dass alles zueinander passt? Will ich vielleicht eigentlich bloß anderen gefallen? Diese Fragen lassen sich leicht auch auf andere Bereiche übertragen.

Neben Fragen der Notwendigkeit sind Folgekosten ein wichtiger Aspekt. Das häufigste Beispiel dürfte hier die Anschaffung eines Autos sein, die sowohl einen Kredit erfordern kann als auch definitiv erhebliche neue laufende Kosten mit sich bringt. Diese wie auch alle anderen großen Anschaffungen sollten daher deutlich gründlicher hinterfragt werden als die neue Spielekonsole. Weitere weniger offensichtliche Aspekte können sein: Reduziert diese Anschaffung vielleicht sogar Kosten und ist deswegen gerechtfertigt (energiesparender neuer Kühlschrank)? Welchen anderen dauerhaften Nutzen habe ich davon? Und: Wie oft war ich eigentlich diesen Monat schon shoppen? Auch, wenn man keine Folgekosten verursacht, kann es zur Gewohnheit werden, einfach immer alles zu kaufen, womit man dann nicht durch Kredite, sondern durch das eigene Verhalten in Schwierigkeiten gerät, sollte das Einkommen einmal wieder sinken.

Zeit

Ein häufiges Argument für teure Anschaffungen ist: Ich spare dadurch Zeit. Das kann im Kleinen die Spülmaschine sein oder im Großen das Auto. Ich habe selbst eine ganze Zeit lang Selbstoptimierung betrieben - ich wollte von Anfang an keine Vollzeitstelle, aber meine Chefs hatten dafür wenig Verständnis und vertraten die Einstellung, man könnte das schon alles schaffen, was ich so mache, auch neben dem Beruf. Solche Aussagen bekam ich von vielen Seiten zu hören. Und natürlich kann man eine Menge optimieren und Zeit einsparen. Dabei geraten aber zwei Dinge in Vergessenheit: Manche Dinge möchte ich einfach nicht aus Zeitgründen aus meinem Leben streichen. Außerdem ist der Mensch gar nicht in der Lage, immer nur Aktion an Aktion an Aktion zu reihen. Pausen und "verschwendete" Zeit sind notwendig. Vielleicht möchte ich also mal ein Buch zuhause auf der Couch lesen und es nicht als Hörbuch auf dem Weg zur Arbeit hören. Und vielleicht entspannt mich das Spülen von Hand.

Ich finde im Gegenteil sogar den umgekehrten Weg erstrebenswert: Statt Geld zu investieren, um Zeit zu sparen, verzichte ich lieber auf Geld, um mehr Zeit zu haben. Aktuell arbeite ich gar nicht, zukünftig werde ich weniger als 30 Stunden pro Woche arbeiten, um meine freie Zeit nicht mehr so extrem optimieren zu müssen. Ich will schlichtweg nicht, dass mein Beruf mein Privatleben bestimmt.

Raum

Egal ob teure oder günstige Stadt, selbst hier in Chemnitz ist die Miete jeden Monat meine größte Ausgabe. Ich lebe zurzeit auf 48 Quadratmetern und wenn ich ehrlich bin, nutze ich die Hälfte der Fläche die meiste Zeit nicht. Trotzdem hätte ich manchmal sogar gerne mehr Platz. Wenn Freunde zu Besuch kommen, muss ich das Keyboard abbauen, so richtig gemütlich von der Couch aus zocken kann man hier auch nicht. Beim Handwerken ist alles voller Dreck. Aber ist das eine Rechtfertigung? Das Keyboard abzubauen ist eigentlich kein Aufwand und dann passen hier immerhin 12 Menschen rein. Werden es mal deutlich mehr, kann ich auch woanders eine Location anmieten. Im Sommer habe ich auch noch meinen Garten - dort kann ich auch sägen und hobeln wie es mir passt. Was das Zocken angeht, hilft vielleicht eine ausfahrbare Leinwand an der Decke. Und sowieso sollte ich einfach mal wieder entrümpeln.

Und jetzt?

Ständiges Hinterfragen hilft. Geld ausgeben darf Spaß machen, sollte aber stets auch Sinn ergeben. Hobbys sind sinnstiftend! Spaß ist sinnstiftend! Jeder wird seine persönliche Grenze haben, aber man sollte darüber nachdenken, wo sie liegt. Dann wird sich ein Weg finden, der weder permanente Angst vor der Arbeitslosigkeit noch Kontrollzwang beinhaltet - und der ein bisschen Kopfschütteln erlaubt, wenn sich wieder mal jemand trotz gutem Einkommen überschuldet hat.

--

Du möchtest etwas zu diesem Artikel sagen? Schreib mir auf Twitter @Konzertheld oder einfach eine Mail an blog [at] konzertheld.de! Oder klick auf den Titel des Artikels, um die volle Ansicht zu laden und einen Kommentar zu schreiben.



Statement gegen Zweiklassengesellschaft... teilweise.

Statistischer Wohlstand hin oder her, gefühlt haben sich noch nie so viele Menschen über eine Zweiklassengesellschaft in Deutschland beschwert wie im Moment, zumindest nicht zu meinen Lebzeiten. Während größere Aspekte wie ungerechte Bezahlung mancher Berufsfelder oder Lücken im Sozialsystem große Probleme erfordern, für die mir definitiv Kompetenzen fehlen, ärgert mich gelegentlich auch etwas ganz anderes: Es scheint immer noch okay zu sein, sich besser zu fühlen, wenn man mehr Geld hat. Das ist ein Problem, welches durch Verhalten von Individuen ausgelöst wird und dazu kann man schon eher mal was sagen.

Ich schrieb letztens auf Twitter:

Ich diskutiere manchmal mit Menschen über 1. / 2. Klasse im Zug und über Privatpatienten-Privilegien. Werde dann gefragt warum ich gegen beides bin. Ganz einfach: Erkauf dir soviel Besitz wie du willst, aber bei allem, was du und ich teilen, sollte Gleichberechtigung herrschen.

Das fasst es schon sehr gut zusammen. Die meisten Menschen, die ich treffe, die offensichtlich wohlhabender sind als ich, können da vermutlich nicht direkt etwas für. Sie haben Karriere gemacht, sind besser ausgebildet, arbeiten in einem prinzipiell besser bezahlten Beruf oder vielleicht profitieren sie auch einfach von irgendeinem unfairen System. Nichts von alledem ist prinzipiell verwerflich, und dafür, dass es Studenten finanziell im Allgemeinen scheiße geht, können diese Menschen vermutlich auch nichts. Sollen sie also mit ihrem Geld machen, was sie für richtig halten.

Aber.

Ich erwarte keine Almosen von Menschen, die mehr Geld haben als ich, so schlecht geht es mir zum Glück nicht. Ich erwarte aber Respekt. Die ganze Geschichte funktioniert nämlich auch andersherum: Vielleicht hat mein Gegenüber gar nichts dafür tun müssen, mehr Geld zu haben. Vor allem aber ist es nicht meine Schuld, dass ich permanent pleite bin. Es ist großartig, dass Studieren in Deutschland kostenlos ist, trotzdem ist es eine enorme Herausforderung, die trotzdem anfallenden Ausgaben zu bewältigen. Chancen, Reichtum anzuhäufen, bestehen da nahezu nie, und auch alles an Sonderrechten für Studenten beschränkt sich, sofern überhaupt vorhanden, auf die Ermöglichung der reinen Existenz.

Trotzdem muss ich manchmal zum Arzt, und trotzdem will ich natürlich ab und zu meine Freunde sehen, auch wenn die weit weg wohnen. Dabei möchte ich gerne mit dem Zug reisen, damit es nicht absurd langsam oder absurd umweltschädigend ist, und ich würde dabei gerne keine Rückenschmerzen bekommen und auch nicht stehen müssen. Wer also über entsprechend Geld verfügt, darf sich gerne eine Villa bauen und mit einem dicken Auto durch die Gegend fahren, aber wenn wir beide Zug fahren, haben wir das gleiche im Sinn, nämlich bequem von A nach B kommen und uns dabei vielleicht etwas entspannen. Darauf hat keiner von uns beiden ein größeres Anrecht - nicht aufgrund des Geldes.

Ich räume gerne einen Platz nah am Eingang für jemanden, der schlecht laufen kann. Ich bin auch bereit, meinen Platz am Tisch jemandem zu überlassen, der unterwegs arbeiten muss, weil er einen stressigen Job hat. Ich werde allerdings sicher nicht einen beliebigen Platz räumen, weil die Bahn sich gedacht hat, sie müsse ein paar Sitzplätze für gut zahlende Kunden reservieren. Und vor allem finde ich es absurd, in rappelvollen Regionalzügen (und auch weniger vollen Fernzügen) einen Bereich für Erste-Klasse-Kunden freizuhalten, falls sich denn mal ein solcher dorthin verirrt. Das hiesige Zugsystem ist grundlegende Infrastruktur und sollte für jeden gut funktionieren - es ist keine luxuriöse Dienstleistung für Wohlhabende.

Aus ähnlichen Gründen stört mich auch das Privatpatienten-System in der medizinischen Versorgung. Darauf möchte ich nun nicht auch noch eingehen, da es sich doch deutlich komplexer verhält (andere Abrechnungsarten, Personen, die zwangsweise privatversichert sind usw.), jedoch sollte auch hier aus den gleichen Gründen wie oben gelten: Medizinische Versorgung steht jedem zu. Wenn ich das Pech habe, in einer Stadt mit schlechter Arztabdeckung zu leben, oder einen speziellen Facharzt benötige, ist es unfair, wenn meine finanzielle Situation meine Chancen auf eine gute Behandlung noch weiter verschlechtert.

Also... jedem seinen Wohlstand, aber nicht, wenn wir uns dabei in die Quere kommen.


Du möchtest zu diesem Artikel etwas sagen? Gerne! Auf Twitter: reply auf Twitter oder Facebook: kommentiere auf Facebook oder per Mail an blogkommentare [ät] konzertheld.de!



Belohne ich mich für Sport oder ist Sport eine Belohnung?

Apropos Sport, ich schrieb ja gerade, dass ich die Boulderlounge in Chemnitz vermissen werde, solange sie wegen des Umzugs geschlossen hat. Tatsächlich ist Bouldern mir mittlerweile eine lieb gewonnene Freizeitbeschäftigung und wäre ich nicht immer drei Tage platt danach (und wäre es nicht so teuer), würde ich sicher öfter hingehen. Bouldern ist vor allem Kraftsport, erfordert aber auch ein gewisses Maß an Technik, um an den Griffen und Tritten Halt zu finden und die entfernteren Griffe zu erreichen. Daher ist jede geschaffte Route ein Erfolgserlebnis und damit ein bisschen Grund zu feiern.

Nun ist genau das etwas, was man in einer Boulderhalle eher nicht findet - die allermeisten Leute dort gehen ihre Sache sehr ruhig an und weder Erfolg noch Misserfolg werden groß zelebriert. Das ist sehr angenehm, und es trägt sicher auch dazu bei, dass der Umgang untereinander meistens respektvoll ist und Anfänger sich gegenüber Könnern nicht eingeschüchtert fühlen müssen.

Vermutlich findet man beim Bouldern auch, wenngleich ich eben schrieb, dass es Kraftsport ist, eher wenige Menschen, die auch ein Fitnessstudio-Abo haben. Abgesehen davon, dass viel Muskelmasse beim Klettern im Allgemeinen nicht so nützlich ist, scheint auch die Motivation dahinter eine ganz andere zu sein. Überhaupt scheint es sehr unterschiedliche Motivationen zu geben, Sport zu treiben, und vielleicht steckt darin eine Erklärung, wieso manche Menschen freiwillig Sport treiben und andere sich dazu zwingen müssen.

Ich gehe zurzeit außer in die Boulderhalle auch noch zum Badminton, früher habe ich auch etliche Jahre Judo gemacht. Alles drei dient ausschließlich meiner Bespaßung in meiner Freizeit; eventuelle Fitness- und Gesundheitsaspekte sind erfreuliche Nebeneffekte. Das ist eine sehr bequeme Situation, denn es sorgt dafür, dass ich mir um meinen Körper im Allgemeinen nicht so viele Gedanken machen muss. Dagegen gibt es sicherlich viele Menschen, die z.B. mit ihrem Gewicht oder ihrer Ausdauer unzufrieden sind und daher beschlossen haben, Sport zu treiben, um etwas daran zu ändern.

Nun gibt es nicht ohne Grund hunderte Apps und Ratgeber, wie man sich überwindet, Sport zu treiben. Offensichtlich machen das viele der Menschen, die es aus einem konkreten Grund tun, nicht gerne. Nur: Warum? Bei der Kondition lassen sich z.B. recht schnell sichtbare Fortschritte erzielen. Es sollte also eigentlich motivierend sein, zu sehen, wie man seinem Ziel näher kommt.

Ich sehe da zwei mögliche Probleme: Man kommt dem Ziel aber nicht näher oder das Ziel ist falsch.

Falsche Ziele lassen sich leicht beheben: Hat man sich ein Ziel nicht aus wirklichem inneren Antrieb, sondern z.B. aus gesellschaftlichen Gründen gesetzt, ist natürlich die Motivation deutlich geringer. Dagegen hilft ehrlich zu sich sein und aufhören. Oder auch: Die Sportart wechseln. Die Auswahl an Sportarten, derer sich der eigentlich nicht sportinteressierte Mensch bedient, scheint ernüchternd klein: Laufen, Fitnessstudio, vielleicht noch Schwimmen oder Radfahren. Kein Wunder, dass sich da viele nicht für begeistern können, alleine schon, weil nichts davon von Natur aus eine gesellige Aktivität ist.

Die TU Chemnitz bietet dieses Semester etwa 45 Sportarten als Kurs an. Früher waren es auch schonmal deutlich mehr. Nicht jede davon wird geeignet sein zur Gewichtsreduktion, alleine schon weil sich einige Sportarten mit einem hohen Gewicht gar nicht sinnvoll ausüben lassen (dazu gehört übrigens auch der Laufsport), und nicht jede wird die Ausdauer fördern. Einige aber sicher schon und vor allem: Jeder Sport trägt zur allgemeinen Fitness bei und motiviert zu mehr Aktivität. Bei meinem Judotraining waren in wilder Kombination bestimmt ein Dutzend andere sportliche Aktivitäten, vom Body-Weight-Intervalltraining über Laufen bis hin zu Basketball, zum Aufwärmen dabei. Judo an sich ist vor allem ein technischer Sport mit geringem Kraft- und keinem Ausdaueranteil, aber das erforderliche Rahmenprogramm hat auch meine Ausdauer enorm gefördert.

Selbst wenn dem nicht so ist, wird regelmäßiger Sport, den man gerne macht, dazu führen, dass man sich auch mal zu etwas anderem aufraffen kann, sei es, weil man sich leichter überwindet, oder weil man Menschen kennengelernt hat, mit denen man sich motivieren kann. Beispielsweise ist gelegentliches Radfahren eine großartige Möglichkeit, die allgemeine Kondition und Fitness zu verbessern. Nicht in großen Schritten und mit riesigen Effekten, dafür aber mit wenig Aufwand. Wer regelmäßig mit dem Fahrrad zur Arbeit / Uni und zum Supermarkt fährt, wird über die Zeit schneller fahren, längere Strecken zu Fuß laufen können, nicht von jeder Treppe überfordert sein.

Das sind natürlich alles Beispiele aus meiner persönlichen Erfahrung, aber die Grundidee sollte klar sein: Sucht euch etwas, was ihr gerne macht. Es ist okay, wenn ihr euch nach einer Joggingrunde durch den Park mit einem Fernsehabend belohnt, viel besser ist es jedoch, wenn ihr freiwillig das Haus verlasst. Es fühlt sich auch wesentlich besser an. Dabei gilt bei jeder Sportart natürlich trotzdem, sei es nun mit viel oder wenig Motivation: Macht es richtig. Geht in einen Verein oder einen Kurs, informiert euch vernünftig, um Sportverletzungen zu vermeiden. Nicht dass ihr am Ende Motivation findet und dann aus gesundheitlichen Gründen wieder aufhören müsst. ;-)



Falsche Gedanken beim Nebenjob

Studenten haben nicht immer nur ein geiles, entspanntes Leben, darüber habe ich hier schon oft geschrieben. Viele sind aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, ständig zu feiern oder nach der Uni zu chillen. Arbeiten gehen ist angesagt. Nun kann man aber aus zeitlichen Gründen und auch durch gesetzliche Vorschriften längst nicht so viel arbeiten gehen wie ein normaler Vollzeit-Arbeitnehmer, wird aber oft in Betrieben landen, in denen überwiegend Vollzeitkräfte angestellt sind. Aber auch in Betrieben, in denen viele Studenten arbeiten, stößt man oft auf merkwürdige Phänomene.

Das zugrundeliegende Thema, um das es nun gehen wird, ist immer: Studenten und Studentinnen arbeiten nicht regelmäßig, nicht jeden Tag und / oder wenn, dann keine 8 Stunden. Das ist wenig überraschend - nein: Das sollt wenig überraschend sein. Viele Arbeitgeber scheinen das jedoch entweder nur zum eigenen Vorteil zu beachten (sogenannte Minijobs kosten den Arbeitgeber wegen reduzierter Sozialabgaben wesentlich weniger) oder nur den eigenen Nachteil zu sehen (der doofe Student ist schon wieder nicht da).

Das Problem ist: Trotz der fehlenden 40-Stunden-9-to-5-Woche am Arbeitsplatz liegen Studenten eben nicht auf der faulen Haut, wie eingangs beschrieben. Auch Studenten sind froh über Feiertage, an denen sie tatsächlich frei haben (außer, sie arbeiten in einem Betrieb, der auch dann arbeitet), und auch Studenten kriegen Probleme, wenn sie krank sind. Gerüchten zufolge brauchen Studierende sogar manchmal Urlaub. Und das Tolle ist: Der Gesetzgeber hat all das auch vorgesehen und geregelt.

Es interessiert bloß kaum einen Arbeitgeber. Ich hatte schon eine ganze Reihe Nebenjobs, als mir klar wurde, dass ich mein Leben lang auf Urlaub und Lohnfortzahlung bei Krankheit verzichtet hatte, obwohl ich das nicht gemusst hätte. Ich hatte eh nur zwei Tage die Woche gearbeitet - die waren schnell aufgeholt, wenn ich mal krank war, und es tat nicht weh, wenn ich mal eine Woche in die Heimat fuhr und dadurch weniger Geld bekam. Es war sicherlich teilweise Unwissenheit, größtenteils aber System: Studenten haben, aus Sicht quasi aller Arbeitgeber, die ich je hatte, keinen Anspruch auf Geld, außer wenn sie arbeiten.

So hat man mir in Chemnitz mal in einem Betrieb, in dem es notwendig war, mich zu vertreten, als ich krank war, das Geld für den Krankheitstag (trotz Krankenschein) verweigern wollen mit dem Argument: Da müssen wir ja zwei Leute bezahlen, obwohl nur eine gearbeitet hat. Blöd nur, dass das kein Argument ist, sondern illegal. Außerdem ist es in höchstem Maße unsozial. Wenn ich krank bin, habe ich eh schon ein Problem, weil ich Stoff in der Uni verpasse und nicht lernen kann - das kann ich kaum aufholen. Müsste ich auch noch nach der Krankheit mehr arbeiten, um mein monatliches Einkommen zu erhalten, hätte ich erst Recht keine Zeit dafür.

Was noch am Besten funktioniert, ist Urlaubsanspruch. Auch hier wird gerne getrickst, bei Teilzeitbeschäftigungen werden sowohl die Anzahl der Urlaubstage als auch die Anzahl der ausgezahlten Stunden pro Urlaubstag reduziert, was unzulässig ist. Nehme ich zwei Urlaubstage, muss ich dafür so viel Geld bekommen, wie ich an zwei Tagen verdient hätte. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass ich mit den zwei Urlaubstagen schon eine Woche frei habe, denn für mich ist das nach wie vor ein Nachteil, ich muss schließlich zusätzlich die Uni schwänzen.

Sowieso wird ständig vergessen, dass Studenten mehr als 40 Stunden die Woche arbeiten - nur eben nicht für ihren Arbeitgeber, sondern unbezahlt für sich selbst an der Uni. Entsprechend wird man auch extrem kritisch beäugt, wenn man mal vorsichtig anspricht, wie das denn mit Lohnzahlung für Feiertage aussieht. Denn auch dafür gibt es eine gesetzliche Regelung, die vorsieht, anteilig Lohn zu zahlen für Feiertage, die in eine Arbeitsvertragslaufzeit fallen. Heißt: Ich habe zwar keinen Anspruch auf einen vollen Arbeitstagslohn, wenn mal einer meiner Arbeitstage auf Ostermontag fällt, jedoch habe ich sehr wohl einen gewissen anteiligen Anspruch, der auch recht leicht zu berechnen ist. Das Prinzip ist nämlich das gleiche wie beim Urlaub: Arbeite ich für meinen Arbeitgeber das ganze Jahr von Januar bis Dezember und das Jahr hat, sagen wir mal, acht Feiertage, die in meinem Betrieb Arbeitstage wären, und ich arbeite 20 Stunden die Woche, dann habe ich das Recht auf Lohn für vier Arbeitstage. Das hat auch gar nichts mit Erbsenzählerei zu tun, es ist einfach nur gerecht, denn auch mit meinen 20 Stunden werde ich sicher mal an einem Feiertag nicht arbeiten, an dem ich eigentlich gearbeitet hätte, und dadurch aber zunächst weniger Lohn bekommen. Feiertage sollen aber der Erholung dienen, daher hat an Feiertagen sogar die Uni geschlossen.

Einfacher hat man es oft mit einem festen Monatsgehalt. Alternativ kann man vertraglich eine feste monatliche Stundenzahl vereinbaren und eine konstante Auszahlung des Lohns für eben diese Stundenzahl. Auf der Basis der monatlichen Stundenzahl werden dann wöchentliche Arbeitszeiten vereinbart und wenn dann mal ein Arbeitstag auf einen Feiertag fällt, wird das einfach nicht weiter beachtet. Das ist nicht sonderlich korrekt, aber einfach und für beide Seiten ein brauchbarer Kompromiss.

Es wird dringend Zeit, dass sich Studenten weniger bieten lassen. Aus Angst um den Job oder aus Harmoniebedürftigkeit oder durch Gedanken wie "ach, passt schon, ich komme ja zurecht" werden Ungerechtigkeiten oft hingenommen. Kein Student hat die Mittel, seinen Boss zu verklagen - aber zumindest mal bis zur Personalabteilung, Chefebene oder was es eben gibt zu gehen und einen ordentlichen, mit Gesetzen begründeten Aufstand zu machen sollte für jeden drin sein. Würden das alle machen, gäbe es nicht nur mehr Geld für den/die Einzelne/n, sondern vielleicht irgendwann auch Aufmerksamkeit bei den Arbeitgebern, dass man das so wie bisher offenbar nicht mehr machen kann.



Tschick

Autobahn irgendwo 100 oder 200 Kilometer südlich von Berlin. Vom Schrottplatz einen Schlauch besorgen, um Benzin für den Lada zu klauen. Das abgedrehte Mädel ein Stück mitnehmen. Prag, ein Schweinelaster. AT MK IS, 2016 bis 2066.

Raus aus der Mensa, Gedanken drehen endlich wieder frei. Stille in der Baustelle. Kühle Sommerluft. 50km/h die Straße mit dem Fahrrad runter. Ein guter Abend für 2,10€.

Ich schaue selten Filme, aber wenn, falle ich oft total in die Geschichte hinein. Oder drifte mit den Gedanken völlig ab. In jedem Fall bläst es das Hirn einmal durch, einmal ganz raus aus dem Alltag. Deswegen geht Kino auch alleine - jede Kommunikation wäre unerwünschte Ablenkung. Kino ist meiner Meinung nach auch die schlechteste Art von Date. Vermutlich ist das auch der Grund, warum ich stets den gesamten Abspann anschaue (abgesehen von potenziell coolen Outtakes / zusätzlichen Szenen) - um den Szenen und den Gedanken noch einmal nachzuhängen. Ein Kinosaal mit den typischen Sesseln tut's dabei genauso gut wie die Uni-Mensa-Bar, in der montags Filme zu studentischen Preisen gezeigt werden. Die ist zwar nicht so bequem, dafür aber frei von nervigen Menschen, die reden oder herumlaufen. Und nur drei Minuten mit dem Fahrrad entfernt.



Pläne, Träume, Ziele

Was treibt Menschen an? Wie wichtig sind Pläne, Träume und Ziele, und wie verändert sich das in verschiedenen Lebensphasen? Manche Menschen haben viele Dinge im Kopf, die irgendwann nochmal passieren sollen im Leben, seien es völlig irreale Dinge wie eine bestimmte Theaterrolle, oder auch kleine Sachen, wie mit einem Freund Straßenmusik zu machen, eine Reise durch Sachsen oder ein bestimmter Erfolg beim Sport. Und solche Menschen brauchen das, denn sie würden sonst nicht leben wollen oder können. Ziele und Träume geben Willen und Kraft, weiterzumachen und die beste Version von sich selbst zu sein, die man sein kann. Dagegen gibt es auch Menschen, die seit Anfang 20 arbeitslos sind, ihre Wohnung nur zum Einkaufen verlassen und mit 50 immer noch so vor sich hin leben und einen Ausflug ans andere Ende der Stadt schon als große Reise empfinden. Wie lebt man, ohne eine Vorstellung von seiner Zukunft zu haben, oder auch nur einen Wunsch, wie diese aussehen könnte?

Und wie ist es wohl, wenn man nicht arbeitslos ist und nicht rumvegetiert, weil man Job und Familie hat, aber trotzdem keine Ziele und Pläne? Vermisst man dann was? Hören manche Menschen vielleicht irgendwann auf, sich Ziele zu setzen, weil sie glauben, alles erreicht zu haben? Ich finde, sowohl die kleinen machbaren Ziele (Sachsen erkunden) sind ein Leben lang wichtig, als auch die großen verrückten. Was treibt mich denn sonst an wenn ich mal im Beruf stehe? Manche Ziele sind ja einfach von Lebensumständen abhängig und erfordern gewisse Vorarbeit - Kinder haben, eine Familie gründen, beruflicher Erfolg, Dinge die von Geld abhängen. Möglichkeiten und Lebensumstände ändern sich immer wieder mal, aber es ist doch völlig berechtigt, davon zu träumen, dass das eigene Leben sich nochmal verändern könnte.

Sicher gibt es viele Menschen, die sagen, dass sie mit ihrer aktuellen Situation zufrieden sind, ihren Traumjob gefunden haben und die tollsten Kinder der Welt, dennoch gibt es dann ja so Sachen auf die man sich freut und auf die man hinarbeitet. Ob man das dann noch als Ziele bezeichnet ist fraglich, aber es könnten Dinge sein wie der nächste Urlaub, eine größere Neuanschaffung, Erfolg der eigenen Kinder miterleben, ... Vielleicht kann man zufrieden sein und trotzdem nicht alles haben. Oder vielleicht macht gerade dieses 'nicht alles haben' diese spezielle Zufriedenheit aus.

Wer alles hat und das auch realisiert verliert auf gewisse Weise seinen Lebenswillen. Oder vielleicht ist es eher der Punkt, an dem man das meiste hat und den Glauben daran, den Rest auch noch erreichen zu können, verloren hat. Vielleicht ist das der Grund, wieso manche Menschen eine Midlife-Crisis bekommen, weil das so die Zeit ist, wo man die ganzen großen Dinge entweder geschafft hat oder nicht mehr daran glaubt, sie noch zu schaffen. Dagegen gibt es auch Menschen, die vom Alter her längst ihre Midlife Crisis hätten haben müssen und aber keine hatten, und manchmal kann man an diesen Menschen beobachten, dass sie auch mit 40, 50 immer noch daran arbeiten, etwas zu erreichen - Unterricht an einem Instrument nehmen, die Schauspielschule besuchen oder Reisepläne spinnen. Alles zu haben und immer das gleiche zu tun wird schnell langweilig, und wer nicht gerade einen Job hat, der jeden Tag fordernd und anders ist, verkümmert über die Zeit. Und auch wenn ich selbst oft schimpfe, was alles fehlt, mag ich auch die Gedanken, was man noch machen könnte und auch, wie man das erreichen könnte. Und vielleicht sind Pläne sogar der wichtigste Punkt: Sie sind in gewissem Maße konkret, sie geben eine Richtung, in die man sein Leben bewegen kann, und können so Antrieb sein, jeden Tag aufs neue zu versuchen, etwas zu erreichen.